DIE CASANOVA TOUR
von Pablo Günther

( InhaltTeil VIII:
REISEWAGEN - (Teile III, VII  - VIII ) - Casanovas Wagen (3)  -  15. Die Chaise "Innsbruck"  /  "Korrespondenz beim Gebrauchtwagenverkauf"  /  Casanova in der Post von Emskirchen meiner Vorfahren Eckart  -  16. Der Reisewagen  "Paris 4"  -  17. Die Kalesche "Dux"  -  (Fortsetzung: Poststraßen, Teil IX )

III. Seine Reisewagen ab 1773.
Wir befinden uns nun im letzten Drittel von Casanovas Leben, einer Zeitspanne, die er in seinen Memoiren nicht beschrieben hat. Er läßt uns aber nicht mit leeren Händen dastehen, sondern beschert uns mit seinem schriftlichen Nachlaß eine Fülle an Material. Wegen der veränderten Quellenlage berichte ich ab jetzt von Casanovas letzten Wagen und den mit ihnen unternommenen Reisen nicht mehr im Stile eines Handbuches, sondern lege alles offen, was ich darüber herausgefunden habe.
C 15   Die Chaise "Innsbruck"
Nannte Casanova: sedia da posta.
Obwohl die hier gezeigte Chaise schon um 1750 gemalt wurde, konnte Casanovas Reisewagen "Innsbruck" durchaus so ausgesehen haben. - "Die Hauptwache in Frankfurt am Main", von Christian Georg Schütz (Ausschnitt; Gesamtansicht s.u.). - Foto vom Original im Historischen Museum von Frankfurt: PG.
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Typ: eine vierrädrige Reise-Chaise oder -Kalesche.
Modell: Zweisitzer mit Klappverdeck.
Reisegeschwindigkeit: Augsburg - Frankfurt: 8,6 km/h (ohne Aufenthalte).
Vorbesitzer: unbekannt, in Innsbruck.
Kaufpreis: unbekannt; vielleicht 10 Louis d'or, wie Casanova beim Verkauf in Mainz zunächst verlangt hatte.
Strecke: 560 km. Innsbruck - Garmisch Partenkirchen - Augsburg - Stuttgart - Heidelberg - Frankfurt - Mainz.
Zeit: Juni bis Dezember 1783.
Nachbesitzer: unbekannt; vielleicht der Wirt vom Hotel "Römischer Kaiser" in Frankfurt.
Verkaufspreis: vermutlich 5 Louis d'or [1.200 d.].
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    Auf Grund zahlreicher erhaltener Briefe kann die Geschichte vom Wagen "Innsbruck" recht genau rekonstruiert werden. Casanova mußte im Jahre 1782 seine Heimatstadt erneut, diesmal aber für immer, verlassen. Er reiste zunächst nach Triest und Wien. Im folgenden Jahr kam er noch einmal nach Venedig, um sich von seiner Freundin Francesca Buschini und ihrer Familie zu verabschieden. Dann begab er sich auf eine Reise, die seine letzte ganz große werden sollte, und die ihn zunächst - mit besagtem Wagen - ins Rheinland, sodann nach den Niederlanden und nach Paris führte. Von dort gelangte er mit seinem Bruder Francesco in einem weiteren eigenen Wagen (Nr. 16 "Paris 4") über Frankfurt und Nürnberg nach Wien.
    Unterwegs schrieb Casanova zahlreiche Briefe an Francesca Buschini, deren Antwortschreiben Casanova aufbewahrte, und die so manchen Hinweis über den Reiseverlauf geben. Von ihm selbst sind zwei Briefe aus Antwerpen und Frankfurt an den Abbé della Lena erhalten geblieben, in dem er sich ebenfalls über seine Reisen äußert. Diese Briefe sind schon lange durch Veröffentlichungen bekannt.
    Der Nachlaß enthält aber noch weitere Briefe und Dokumente aus jener Zeitspanne, die noch nicht veröffentlicht wurden, offenbar weil sie nur von dem Wagen und den Versuchen, ihn zu verkaufen, handelten, woran niemand so recht interessiert war. Mir waren sie aber hochwillkommen, und daher überschreibe ich die Geschichte des Wagens "Innsbruck" mit:
Korrespondenz beim Gebrauchtwagenverkauf.
    Casanovas Abreise aus Venedig bzw. Mestre und seine Reise bis Augsburg schildert Francesca Buschini so:
[Die Briefe der Francesca Buschini zitiert nach: Rava/Gugitz, Frauenbriefe an Casanova, München 1912, sowie nach den Originalen in eigener Übersetzung. Die Marr-Nummern der "Leeflang-Archives de Dux" werden stets angegeben.]  [Marr 8 - 194]
  A Monsieur Casanova de Seingalt
     en poste restante. Augsbourg.
    Venezia venerdi 27 giugno 1783.
        Amico amatissimo
    Mio caro amico non manco di darvi pronta risposta dela cara vostra crita li 21 in Trento da la quale intesi molte cose (...).
    Intesi dala cara vostra che siete partito da Mestre Martedì [17 giugno] matina alla punta del giorno e che siete rivato a Basano a mezzo giorno intesi che siete andato a pranzo dai frateli dela Catroli e che vi siete fermato a dormire la notte in nela soa casa (...).
    Intesi que Mercordì matina siete partito da Basano per la posta e la sera siete giunto a Borgo di Valsugana (...).
    Ho molto piasere che godiate perfeta salute desidero di rivedervi felise e contento vi abrasio di core e sono vostra vera amica
        Francesca Buschini
  An Herrn Casanova von Seingalt
    Postlagernd in Augsburg
    Venedig, Freitag am 27. Juni 1783
        Geliebtester Freund!
    Mein teurer Freund, ich verfehle nicht, Ihnen sofort Antwort auf Ihr liebes Schreiben vom 21. aus Trient zu geben, aus welchem ich viele Sachen vernommen habe. (...). Ich hörte aus Ihrem lieben Brief, daß Sie am Dienstag [17. Juni] bei Tagesanbruch von Mestre abgereist, zu Mittag in Bassano angekommen sind, daß Sie Ihr Mittagmahl bei den Brüdern der Catroli einnahmen und sich dort aufgehalten haben, um die Nacht in ihrem Hause zu schlafen. (...).
Ich hörte, daß Sie Mittwoch vormittag mit der Post [-kutsche] von Bassano abgereist und am Abend in Borgo di Valsugana eingetroffen sind. (...).
    Ich wünsche, Sie glücklich und zufrieden wiederzusehen, umarme Sie herzlichst und bin Ihre
        Francesca Buschini.
* * * * * * * *
[Marr 8 - 166]
    A Monsieur Monsieur Casanova de Seingalt
    en poste restante a Spa.
    Venezia, venerdì 11 luglio 1783
    Rispondo ala cara vostra che mi avete crito in Augusta il 29 de Giugno da la quale intesi che vie siete fermato in Imspruck per andare al teatro ove dite che avete avuto l'onore di parlar con la duchessa di Parma e poi che siete partito subito e che avete viaggiato quaranta otto ore senza mai fermarvi. gran uomo che siete voi per viagiar! (...).
    Resto con abbrasiandovi di core vostra umilissima serva e amica
        Francesca Buschini.
    An Herrn Casanova von Seingalt
    in Spa, postlagernd
    Venedig, Freitag am 11. Juli 1783
    Ich erwiedere Ihren lieben Brief, den Sie mir aus Augsburg am 29. Juni geschrieben haben, aus dem ich entnahm, daß Sie sich in Innsbruck aufgehalten haben, um in das Theater zu gehen, wo Sie die Ehre gehabt haben, mit der Herzogin von Parma zu sprechen und dann sofort abgereist sind. Und Sie sind achtundvierzig Stunden gereist, ohne sich je aufzuhalten. Was für ein großer Reisender sind Sie! (...).
    Indem ich Sie herzlich umarme, bleibe ich Ihre ergebenste Dienerin und Freundin
        Francesca Buschini.
    Die Formulierung "ohne mich je aufzuhalten" gebrauchte Casanova in den Memoiren nur, wenn er im eigenen Wagen reiste. Auch konnte die Strecke Innsbruck - Augsburg (über Füssen: 200 km) mit dem regulären Postwagen in nur zwei Tagen nicht zurückgelegt werden. So reiste er sehr wahrscheinlich mit seiner "neuen" Postchaise auf der Extra-Post-Strecke über Partenkirchen (175 km) nach Augsburg, wo er vielleicht schon am 26. Juni ankam.
    Nach der Ankunft in Augsburg, dieser von ihm seit langem sehr geschätzten Stadt, bezog er Logis in Sigismund Mayr's "Goldener Traube". Unmittelbar vor der Abreise ließ er einen Sattler kommen, der seinen Wagen durchsehen und auch reinigen sollte. Die Rechnung hatte Casanova aufgehoben:
Putz- und Reparaturrechnung für Casanovas Wagen: "Sattlerzettel Fl 1 56 Kr. Nota. F(ür) einen Wagen zu Putzen und auszubessern. Fl 1 56. Augsburg d 2 ten July 1783 Erasimus Schlegel Sattlermeister." - Casanova-Archiv Marco Leeflang, Utrecht. Vgl. Les Archives de Dux, Marr 4 - 64. Foto: M. Leeflang.
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    Ein Gulden und 56 Kreutzer sind in englische Währung umgerechnet 58 Pence; es kann also an dem Wagen nicht viel kaputt gewesen sein.
    Hören wir nun, wie Francesca den weiteren Reiseverlauf wiedergibt: [Marr 8 - 169]
    A Monsieur Monsieur Casanova de Seingalt
    en poste restante a Spa
    Venezia mercordì 16 Luglio 1783.
        Amico Stimatisimo
    Ricevei la cara vostra [di Francoforte] il giorno 14 che vol dir gieri l'altro, dala quale intesi con grandisimo piacere l'otimo vostro stato di salute; intesi con stupore il gran viagio que avete fato dicotto poste senza mai fermarvi che per cambiar cavalli e due volte per mangiare e che siete rivato a Francfort fresco come una rosa in quarantadue ore e che ne avete dormito ameno dicotto asai megio che se fosi stato a letto. Io sono molto sorpresa di aver inteso i gran viagi che avete fato e che siete per fare. (...).
    (...) resto con abbraciandovi di tuto core vostra e cinesea amica
        Francesca Buschini.
    An Herrn Casanova de Seingalt
    in Spa, postlagernd
    Venedig, Mittwoch am 16. Juli 1783
        Hochgeschätzter Freund!
    Ich empfing Ihren lieben Brief [aus Frankfurt] am 14., das heißt vorgestern, aus dem ich mit größtem Vergnügen vernahm, daß es mit Ihrer Gesundheit ausgezeichnet geht. Ich hörte mit Staunen von der großen Reise, die Sie gemacht haben, 18 Posten ohne sich je aufzuhalten, nur um die Pferde zu wechseln und zweimal um zu essen, und daß Sie in Frankfurt frisch wie eine Rose in 42 Stunden angekommen sind und daß Sie davon wenigstens 18 geschlafen haben, besser als wenn Sie im Bett gewesen wären. Ich bin sehr erstaunt über die großen Reisen, die Sie gemacht haben und im Begriff sind zu machen. (...).
    Ihre wahre und aufrichtige Freundin
        Francesca Buschini.
    Am 4. Juli konnte Casanova bereits in Frankfurt angekommen sein (Empfehlungsschreiben von Heyder & Comp. vom 5. Juli [Marr 12-19]), nachdem er laut Francesca 18 Posten, d.h. die kürzeste Verbindung über Stuttgart, Bruchsal und Heidelberg (360 km), genommen hatte, und dann mit 8,6 km/h sogar recht schnell.
    Spätestens am 11. Juli reiste Casanova nach Mainz weiter, wo er einen Freund, Graf Giacomo Durazzo aus Genua traf. Dieses Zusammentreffen veranlasste ihn, seine Kutsche der Firma Antonio Rossi & Compagnie zwecks Verkauf zu übergeben.
    Mit dem Grafen Durazzo fuhr er dann gleich auf dem Rhein in zwei Tagen nach Köln weiter. Von dort reiste Casanova allein nach Aachen, wo er am 14. Juli angekommen sein müßte.
    Casanova selbst beschreibt die Reise von Trient über Aachen nach Spa in einem Brief*, in dem er auch seinen Reisewagen erwähnt, wie folgt:
[* Helmut Watzlawick, Casanova and della Lena, Casanova Gleanings 1979.]     A Monsieur
    Monsieur l'Abbé de la Lena
    au colege Theresien
    Vienne
            Sigr Abbate Mio Venermo Prone
    Anversa 6 7bre 1783
    (...) indi mi fermai a Trento, poscia a Inspruck dove ebbi un lungo colloquio con la serenissima infanta duchessa di Parma, poi in Augusta otto giorni dove trovai tutti i miei amici morti, poi a Francfort e a Magonza, dove trovai il conte Durazzo, per unirmi al quale, lasciai là la mi sedia da posta, assai lieto di poter accompagnarlo fino a Cologna, e cosi risparmiare sei zecchini. Egli andò in Olanda, ed io in Acquisgrana, dove perdetti otto giorni con quel magistrato sovrano, che non intese il bello di una utilissima proposizione, che gli feci, e che a me sarebbe riuscita di sommo vantaggio. Di la me ne andai a Spa: in quel recinto in cui per non so qual convenzione concorrono una volta all'anno nell'estate tutte le nazioni dell' Europa per far mille pazzie, feci anch'io le mie, e vi passai quasi un mese. (...).
    L'abbraccio teneramente, e la prego di conservarmi intatta la sua amicizia, mentre sono, e sarò sempre.
    Suo Umo Obbo Servitore
        Casanova
    Abbé de la Lena
    im Theresianum
    Wien
    Antwerpen, am 6. Sept. 1783.
    (...). Ich hielt mich hierauf in Trient auf, dann in Innsbruck, wo ich eine lange Unterhaltung mit Ihrer Hoheit, der Infantin von Parma hatte, sodann in Augsburg acht Tage, wo ich fand, daß alle meine Freunde gestorben waren, weiters in Frankfurt und Mainz, wo ich den Grafen Durazzo antraf. Um mich mit ihm zu vereinen, ließ ich meine Postchaise (la mi sedia da posta) dort, ganz glücklich, ihn nach Köln begleiten zu können und sechs Zechinen zu ersparen. Er ging nach Holland und ich nach Aachen, wo ich acht Tage mit der Verwaltung verlor, die nicht auf all das Schöne eines sehr nützlichen Vorschlages hören wollte, den ich ihr machte und der mir große Vorteile verschafft hätte. Ich ging von da nach Spa, wo, ich weiß nicht aus welchem Übereinkommen, sich einmal im Jahr jeden Sommer alle Nationen Europas ein Stelldichein geben, um dort tausend Torheiten zu treiben. Ich machte dort auch die meinen, und mein Aufenthalt dauerte ungefähr einen Monat. (...).
    Euer ergebenster und gehorsamster Diener
        Casanova
    Aus der Ersparnis von 6 Zechinen für die Fahrt von Mainz nach Köln mit Extra-Post habe ich die Anzahl der Pferde errechnet, die Casanova hier und wohl auch sonst benötigte, nämlich: zwei, so daß auf die Beschaffenheit seiner Kutsche und die Anzahl der Passagiere geschlossen werden kann:
    Die Postchaise war recht leicht; Casanova reiste allein und ohne viel Gepäck (sonst hätte er drei oder gar vier Pferde nehmen müssen).
    In Aachen schrieb Casanova an seinen Gebrauchtwagenhändler in Mainz, Antonio Rossi, einen Brief. Der Adressat antwortete* wie folgt:
[* Die Briefe von Rossi und Raghianti: Leeflang-Archives de Dux, Utrecht. Übersetzung von Enrico Straub und mir.] [Marr 13 B 5]
    A Monsieur
    Monsieur Jacques Casanova
    présentmt à Spa
    Magenta il 29 Luglio 1783
        Riveritiss Se Se P.ron Colmo
    gli diremo in riscontro de la Gentilisma Sua del 16 Spirante che il n.ro amico de Colonia ci scrise che al ricevendo gl n.o ordini, per pagarli li Conotte f 30 = VSa Era gia da Colà partitto Veramente Il Barcarolo con cui sono da qui partitti ha fatto piu breve viaggie Che noi vi Eramo figurati e ci ha dispiacuto Molto tal Invonvenienza, pero pregasimo il Sig Prengrueber de Colonia in Caso Che V.Sa gli Chiedese la detta Somma da Spa di Somministarglala p nro Conto Co Che fara anchora Se gliela Chiedera quando che in questo Intervalle non fose gia Seguito, siamo ben Sensibili alla bonta del Sig Marchese Durazzo che ci Voglia Conservare la Sua buona Memoria.
    La Sedia qui lasciata da noi l'abbiamo offerta e datosi tutta la pena possibile per venderla ma fin qui non ci fu offerto que Cinque luiggi d'oro che fano Cinquanti Cinque fiorini d'Imperio e dietro tutt'aparenza non ne tiraremo al tutto più Che Sei Luiggi novi, poiche non è Secondo l'uso di qua, Se VSa Vuo Concederla per tal Prezzo non ha che dircelo, che la daremo.
    Lo riveriamo distint^e e si diamo l'onore de Rassegnarci Con la più perfetta Stima
    D Va Div. e Obi Servi
        Ant. Rossi & Compag
    Herrn
    Jacques Casanova
    zur Zeit in Spa
    Mainz, den 29. Juli 1783
        Verehrtester Herr und Gebieter,
    in Bestätigung Ihrer freundlichen Nachricht vom 16. dieses Monats möchten wir Ihnen mitteilen, daß mein Freund in Köln uns geschrieben hat, daß beim Empfang unserer Zahlungsanweisung über die besagten 30 Gulden [900 d.] Eure Herrschaften bereits von dort aufgebrochen waren. Wirklich hat der Schiffer, mit dem Sie von hier aufgebrochen sind, eine kürzere Reise gehabt, als wir uns dies vorgestellt haben, und wir bedauern diesen misslichen Umstand sehr, doch haben wir Herrn Brengrueber aus Köln gebeten, falls Ihre Herrschaften die besagte Summe von Spa aus anfordern sollten, sie Ihnen zu unseren Lasten zukommen zu lassen; auch würde er so handeln, falls dies in der Zwischenzeit noch nicht geschehen. Wir denken gern an die Güte des Herrn Marchese Durazzo, der uns seinerseits in guter Erinnerung bewahren möge.
    Die hier bei uns gelassene Chaise (Sedia) haben wir zum Verkauf angeboten und uns alle erdenklichen Mühen gemacht, um sie zu verkaufen, doch bis heute sind uns dafür nur fünf Louis d'or [1.200 d.] angeboten worden, was fünfundfünfzig Reichsgulden entspricht*, und es hat allen Anschein, daß wir höchstens sechs neue Louis erzielen werden, da sie nicht den hier üblichen Vorstellungen entspricht; falls Ihre Herrschaften sie uns zu diesem Preis überlassen wollen, brauchen Sie uns dies nur mitzuteilen und wir werden sie weggeben.
Wir entbieten Ihnen unsere Hochachtung und schätzen uns glücklich, Sie ergebenst unserer Ergebenheit zu versichern
    Ihrer Herrschaft untertänigste Diener
        Anto. Rossi & Compagnie
[* Tatsächlich handelt es sich um holländische Gulden à 21,82 Pence.]
    Der realistische Wert von Casanovas "hier nicht üblicher" Kutsche konnte also dem Gebot von fünf oder höchstens sechs Louis d'or entsprochen haben. Daß dem tatsächlich so war, wird sich später zeigen.
    Casanova reiste von Aachen weiter ins nahe Spa, damals ein sehr bekannter Badeort, wo er am 22. oder 23. Juli ankam. Dieses Ereignis wurde in der "Liste neu angekommener Besucher", Nr. 25 vom 26. Juli 1783, bekannt gemacht: "Monsieur CASANOVA, Gentilhomme Vénitien, à l'Hotel du Louvre, rue d'entre les ponts."     Dort blieb er einen Monat und traf auch zwei Herren, über deren Ankunft in der Fremdenliste Nr. 11 vom 7. Juli zu lesen war: "Monsieur l'Abbé de KUMPLER [Setzfehler; richtig: RUMPLER] ancier Aumonier ordinaire de S.M. Très-Chrétienne, Chanoine de St. Jean de Varsovie & de St. Pierre de Strasbourg.
Monsieur LOBSTEIN, Professeur en Médicine de l'Université de Strasbourg, au Pélican, grand'place."
    Die beiden waren im Begriff, nach Darmstadt und Heidelberg abzureisen, vermutlich auf ihrem Rückweg nach Straßburg. Casanova konnte sie für eine Besichtigung seines Wagens in Mainz interessieren. Hier das Ergebnis: [Marr 4 - 149]
    Monsieur
    Monsieur Casanova
    de Venise présent[ement] au Louvre
    rue d'entre les [ponts] à Spa
    Heidelberg ce 6. aoust 783
    J'ay l'honeur de Vous prévenir, Monsieur, que nous nous sommes détournés de 3. lieues pour aller à Mayence dans l'intention de prendre votre chaise, mais elle n'a pas convenu à mon Docteur, et le maitre de poste vouloit nous y mettre 3. chevaux; cequi nous a déterminés à prendre un Equipage plus leger pour nous rendre à Darmstatt. Le S. Rossi m'a dit qu'il tacheroit d'en avoir dix Louis, et qu'au pis alloit il ne seroit pas embarassé pour en avoir neuf, si vous y consentés.
    Agréez je vous prie la protestation de la parfaite considération avec laquelle j'ay l'h[onneur] d'etre, Monsieur
    Votre très humble et très obéis[san]t Serviteur
        Rumpler Chanoine
    Monsieur Casanova aus Venedig
    zur Zeit im Louvre
    Rue d'Entre les Ponts
    zu Spa
    Heidelberg, am 6. August 1783.
    Ich habe die Ehre, Monsieur, Sie davon zu unterrichten, daß wir, um nach Mainz zu kommen, einen Umweg von drei Meilen genommen haben, in der Absicht, Ihre Chaise zu übernehmen, doch sie paßte meinem Doktor nicht, und der Postmeister wollte uns drei Pferde anspannen; dies hat uns bewogen, eine leichtere Equipage zu nehmen, um nach Darmstadt zu kommen. Herr Rossi sagte mir, er wolle versuchen, zehn Louis [2.400 d.] dafür zu bekommen, und schlimmstenfalls würde er sich auch mit neun zufrieden geben, falls Ihr einverstanden seid.
    Ich bitte Sie, die Versicherung meiner vorzüglichsten Hochachtung anzunehmen, mit der ich als Ihr untertänigster und gehorsamster Diener zeichne
        Rumpler, Kanonikus.
    Aus diesem Brief vernehmen wir den Preis, den Casanova verlangte, nämlich zehn Louis d'or, und daß er demnach auf Rossis Vorschlag, sie für sechs Louis anzubieten, noch nicht eingegangen war.
Wenige Tage nach Erhalt des Briefes von Rumpler, am 12. August, erschien das folgende Inserat im Fremdenblatt Nr. 33 von Spa:
"Zu verkaufen: Ein vierrädriger, zweisitziger Reisewagen. Wenden Sie sich an das Hotel du Louvre, rue d'entre les ponts."
    Daß in Spa ein Wagen angeboten wurde, der in Mainz zum Verkauf stand, müßte als etwas unwahrscheinlich angesehen werden, wenn wir nicht den Brief des Domherrn Rumpler hätten. So gehe ich davon aus, daß es der im genannten Hotel wohnende Casanova gewesen war, der die Anzeige aufgegeben hatte. Rumplers Absage gab ihm außerdem noch einen aktuellen Grund dafür.
    Eine gute Woche nach Erscheinen der Anzeige reiste Casanova über Amsterdam und Brüssel nach Paris, wo er am 19.September eintraf. Dort hielt er sich zwei Monate auf.
    Spätestens am 22. November verließ er Paris zusammen mit seinem Bruder Francesco in einer eigenen Reisekutsche (Wagen Nr. 16 "Paris 4"; siehe unten). Vermutlich am 26. November kamen die Brüder in  Frankfurt an.
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    Für einige Tage besitzt nun Giacomo zwei Reisewagen. Die sich überschneidenden Ereignisse trenne ich nun weitgehend und erzähle zunächst die Geschichte der Chaise aus Innsbruck zu Ende, die ja immer noch in Mainz zum Verkauf steht.
Frankfurt am Main,
Hotel "Zum Römischen Kaiser" in der Zeil:
"Die Hauptwache in Frankfurt am Main", mit Blick in die Zeil, in der ganz hinten links das Hotel "Zum Römischen Kaiser" stand. Im Vordergrund: Ein Wagen in der Art von Casanovas Chaise? - Gemälde von Christian Georg Schütz d.Ä, um 1750. Foto (schlecht) vom Original im Historischen Museum von Frankfurt a. M.: PG.
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26. November:
    Ankunft von Giacomo und Francesco Casanova.
    Giacomo läßt einen Wundarzt kommen, der ihm die Schulter wieder einrenkt; "der betrunkene Postillon" hatte nämlich seinen Wagen umgeworfen (Brief von Francesca Buschini, Marr 8 - 185).
    Giacomo schreibt an Herrn Raghianti in Mainz, einem Geschäftspartner von Rossi, um sich nach seiner Sedia zu erkundigen.
28. November:
    Giacomo schreibt einen langen Brief an den Abbé della Lena in Wien (Wiedergabe unten).
Er erhält einen Brief von Raghianti: [Marr 13 B 3]
    Messieurs
    Messieurs Casanova
    Logé à L'empeureur de Romain.
    à Francfort
    [Mainz, 27? November 1783]
        Signorij
    In risposta alla sua grata del 26. Corente, ho l'onore di dirly che Io ho condutto alcune Personne a vedere La Sua carossa, ma infino adesso nesuno L'a voluta comprare, tutti dicendomi che gli è tropo pesa per conducerla con due cavally, è che non è Moderna, Io faro il mio possibile ma dubito di non potere riucire a venderla con avantagio, perchè effetivavente gli è un pogo pesa, è in tempo d'Inverno poge gente viagano; e per conseguensia L'occasiony sono più rare; ma Siano assegurati che io faro come se fusse mia; faro tutti le diligenze possibile;
    mi a fatto pure piacere d'intendre che Loro Signorij Si portano bene, e che sono assai contenti della osteria dove allogano; e li prego di credere che Io Sono e resto con la più perfetta considerazione
    D.L.S. Il Suo Servo affemo
        Laurent Raghianti
    An die Herren
    Messieurs Casanova
    Gäste im Römischen Kaiser
    zu Frankfurt
    [27.11.1783]
        Meine Herren,
    in Beantwortung Ihres geschätzten Schreibens vom 26. dieses Monats habe ich die Ehre, Ihnen mitzuteilen, daß ich einige Personen gewonnen habe, sich Ihre Karosse (carossa) anzusehen, doch bis heute hat niemand sie kaufen wollen; alle sagten mir, sie sei zu schwer, um mit zwei Pferden gefahren zu werden, auch, daß sie nicht modern sei. Ich werde mein möglichstes tun, doch zweifle ich, daß es mir gelingen wird, sie mit Gewinn zu verkaufen, da sie in der Tat etwas gewichtig ist, auch reisen zur Winterszeit nur wenige, weshalb die Gelegenheiten eher selten sind; doch seien Sie versichert, daß ich mich einsetzen werde, als ob es sich um meine handelte; ich werde alle erdenklichen Schritte unternehmen.
    Im übrigen hat es mich gefreut zu erfahren, daß Ihre Herrschaften sich wohl fühlen und mit dem Gasthof zufrieden sind, in dem Sie untergekommen sind. Bitte glauben Sie weiterhin an meine Hochachtung
    Ihrer Herrschaft untertänigster Diener
        Laurent Raghianti
    Er beantwortet dieses Schreiben, und schickt auch einen Brief an Rossi. Es scheint, daß Casanova nun den Verkaufspreis auf sechs Louis d'or herabsetzt, und daß er einen Interessenten vorschlägt, der über einen Herrn Mathey zu erreichen sei.
29. November:
    Giacomo schreibt an Francesca einen Brief, in dem er u.a. von dem Unfall mit der Kutsche und seiner Verletzung berichtet.
30. November:
    Giacomo erhält einen weiteren Brief von Raghianti: [Marr 13 B 4]
     A Monsieur
    Monsieur Jacques Casanova
    Logé à L'Empereur
    à Francfort
    Magonza Li 29. 9bre 1783
        Signorij e Padronij Stimatissimij
    In conformità della Sua Stimata Lettera d'Ieri, ho l'onore di dirle che questa mattina sono stato del Sigre Mathey e abbiamo fatto venire l'istesso Ebreo, che voleva comprare La Sua Carosa ne gli abbiamo offerta per f 66. ma non La voluta, Siche dunque noij abiamo fatto Cercare un veturino, il quale ve la Conducera à Costi, vogliamo vedere Se il dito veturino trova qualcheduno che vogli andare à f[ranco]forti e che pagi qualche cosa per fare che non Li divengi tropo Caro il porto; e credo che quando anchora V.S. non possino venderla Subito troverano Sempre più d'occasione di venderla à Costi, che quivi perche ci sono sempre Molti Forestiery.
    Andando a Wienna gli agurio un buon viago, e ringrasio per adesso il Suo Sig^re Fratello de L'offerta che mi fa per Parigi e quandi ci andaro Profittero del grasioso offro che mi fa, Se infratanto posso Servirly à qualche Cosa, dispuongino di quello che a L'Onore di dirsi quivi con la più perfetta Stima./.
    D.V.S.
    Devmo ed obidmo Servitore
        Laurent Raghianti
    Herrn
    Monsieur Jacques Casanova
    Gast im Kaiser
    zu Frankfurt
    Mainz, den 29. November 1783
        Verehrteste Herren und Gebieter!
    Auf Ihren werten Brief von gestern bezugnehmend, habe ich Ihnen mitzuteilen die Ehre, daß ich heute vormittag bei Herrn Mathey gewesen bin; wir haben eben jenen Juden kommen lassen, der Ihre Karosse kaufen wollte; wir haben sie ihm für 66 [holländische] Gulden [6 Louis d'or oder 1.440 d.] angeboten, doch wollte er sie nicht haben; so haben wir nach einem Fuhrmann (veturino) suchen lassen, der sie Ihnen dorthin bringe, doch wollen wir erst noch sehen, ob der besagte Fuhrmann jemanden finde, der nach Frankfurt reisen möchte und dafür etwas zahlt, auf daß Ihnen die Überführung nicht zu teuer zu stehen komme; auch glaube ich - falls Ihre Herrschaften sie nicht sogleich veräußern können - daß Sie dort, wo immer viel Fremde sind, sicher mehr Gelegenheiten zum Verkauf finden als hier.
    Für die Fahrt nach Wien wünsche ich Ihnen eine gute Reise, auch danke ich Ihrem Herrn Bruder schon jetzt für das Anerbieten, das er mir für Paris macht; wenn ich dorthin fahren werde, werde ich auf das freundliche Angebot zurückgreifen. Falls ich Ihnen in der Zwischenzeit irgendwie zu Diensten sein kann, verfügen Sie über den Unterzeichneten, der Sie der vorzüglichsten Hochachtung versichert.
    Ihrer Herrschaft untertänigster und ergebenster Diener
        Laurent Raghianti
1. oder 2. Dezember:
    Die Chaise trifft bei Giacomo im Hotel ein, zusammen mit einem Brief von Rossi: [Marr 13 B 6]
    A Monsieur
    Monsieur Jacques Casanova
    logé à L'Empereur
    à Francfort
    Magonza il 1mo Decembre 1783
        Sig e Pne Stimatissmi
    In risposta alla gratissma Sua del 28 Spirato, tanto noi che il Sig Lorenzo Raghiante si siamo dati tutta la pena posibile per vendere la Sua Sedia ma non fu posibile de trovare un amatore, la onde oggi glie l'abbiamo mandata Con un Chochiere [omission] Vettura fl 3 x 12 a miglior pato non abbiamo potutto trovar di mandargliela.
    Non dubitiamo Che L'avera ricevuta a dovere, a f[ranco]forte trovera più tosto amatore estero, che Colà si presentino alle Volte forestieri Che sono di viaggie et cercheno Simile Sedie, in altro le desidriamo un felice Viaggio, pregandola di presentare le n.re Complimenti a Suo Sig fratello e si Rassegniamo Con la più distinta Stima
    di V Sa Devotissmi & obl Servi
        Antonio Rossi & Compag
    Herrn
    Monsieur Jacques Casanova
    Gast im Kaiser
    zu Frankfurt
    Mainz, den 1. Dezember 1783
        Hochverehrter Herr und Gebieter,
    in Beantwortung Ihrer geschätzten Nachricht vom 28. des vergangenen Monats teilen wir Ihnen mit, daß sowohl wir selbst als auch Herr Lorenzo Raghianti keine Mühen gescheut haben, um Ihre Chaise (sedia) zu verkaufen, doch war es nicht möglich, einen Liebhaber dafür zu finden, deshalb haben wir sie Ihnen heute mit einem Kutscher (chochiere) zukommen lassen. Eine günstigere Möglichkeit, Ihnen den Wagen (vettura) zu schicken, als für 3 [deutsche] Gulden und 12 Kreutzer [96 d.], konnten wir nicht finden.
    Wir zweifeln nicht, daß Sie ihn pflichtgemäß erhalten haben. In Frankfurt wird sich leichter ein Interessent finden, jetzt, wo sich dort öfters Fremde aufhalten, die auf Reisen sind und solche Chaisen suchen. Darüberhinaus wünschen wir Ihnen eine glückliche Reise und bitten Sie, auch Ihrem Herrn Bruder unsere Ehrerbietung zu übermitteln.
    Ihrer Herrschaft ergebenster und untertänigster Diener
        Antonio Rossi & Compagnie.
    Ob Casanova wohl die Chaise noch vor seiner Abreise verkaufen konnte? Oder hat er sie einfach im Hotel stehen lassen? Oder hat der Wirt sie in Zahlung genommen? Sei dem, wie ihm sei - mit der Überführung von Casanovas Reisewagen Nr. 15 nach Frankfurt ist ihre Geschichte für uns zu Ende gegangen.


C 16   Der Reisewagen "Paris 4"
Nannte Casanova: carrozza chiusa.
So wie dieser viersitzige Reisewagen im englischen Stil könnte das Fahrzeug der Brüder Casanova ausgesehen haben - nur die C-Federn waren 1783 noch nicht üblich, sondern S-förmige. - Foto: Marstall Fürst Bentheim-Tecklenburg.
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Typ: vierrädrige und viersitzige geschlossene Reisekutsche.
Reisegeschwindigkeit: Paris - Frankfurt: 5 Tage oder 5,5 km/h.
Eigentümer: Giacomo und Francesco Casanova.
Vorbesitzer: unbekannt, in Paris.
Kaufpreis: unbekannt.
Strecke: 1.360 km. Paris - Metz - Mannheim - Frankfurt - Würzburg - Emskirchen - Nürnberg - Passau - Wien.
Zeit: November bis Dezember 1783.
Nachbesitzer: vermutlich Francesco, der in Wien blieb.
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    Francesco Casanova, ein 1783 schon recht berühmter Maler, war im Begriff, nach Wien umzuziehen. Es traf sich offenbar gut, daß sein Bruder Giacomo gerade ebenfalls Paris mit dem gleichen Ziel verlassen wollte. Sie kauften sich für diesen Zweck eine viersitzige geschlossene Reisekutsche. Eigentlich ein etwas großes Fahrzeug für nur zwei Personen, aber ich stelle mir vor, daß Francesco auch einiges Gepäck mitzunehmen hatte, was dann die Wahl dieser Kutsche verständlicher werden läßt.
    So fuhren sie also gemeinsam los, wie schon einmal, vor 31 Jahren. Dieses Mal reisten sie aber nicht wie damals in der Postkutsche, und über Mainz, wo Giacomo persönlich mit den Gebrauchtwagenhändlern hätte verhandeln können, nach Frankfurt, sondern wahrscheinlich über Mannheim und Darmstadt. Als sie am Mittwoch, den 26. November dort angekommen waren, hatten sie eine Non-Stop-Fahrt von fünf Tagen über 660 Kilometer bei einer Geschwindigkeit von 5,5 km/h hinter sich gebracht.
    Die Hinweise auf den Wagen und weitere Reiseumstände entstammen einem Brief Giacomos, den er in Frankfurt an den Abbé della Lena in Wien geschrieben hat. Trotz seiner Länge möchte ich diesen einmaligen Reisebrief ungekürzt wiedergeben.
[Aus: Bruno Brunelli, Giacomo Casanova e l'Abate Della Lena, Venezia 1931. Übersetzung von Gillian Rees und mir. - Besonderer Dank an Helmut Watzlawick für den Hinweis.]     All' Ill.mo Sig.r Sig.r P.ron Col.mo
    Il Sig.r Abatte (sic) D. Eusebio della Lena
    nel coleggio (sic) Teresiano
    Vienna
        Sig.r Abbate pregiat.mo mio P.rone, ed Amico Vener.mo
    Francoforte, 28 Novembre 1783
    Quindici giorni fa l'amico suo in Parigi mi mandò a casa una sua gent.ma: io corsi tosto da lui, poichè avevo gran desiderio di conoscerlo per ciò che il Bartoli me ne aveva detto, ma non potei star seco que pochi minuti, poich'era appunto il giorno della rientrata dell'Accademia delle Scienze, alla cui assemblea mi aveva impegnato di essere il celebre americano Franklin: dovetti poi andare a Fontaneblò, e di ritorno avanti di lasciar Parigi finiva mille cosuccie, che mi consumavano il tempo, talmente que non potei ritornare a godere delle solide dottrine tanto nelle matematiche quanto nella morale cristiana del preg.mo suo signor Cagnoli, il quale non interrompe il suo studio degli astri che per comporre i dispacci di due ambasciatori.
    La lettera, signore, con la quale ella mi onorò, mi fece molto piacere, tra quali grande fu quello che mi recò il sapere, che S. E. Ambasciatore abbia consolidata a codesti bagni di Baden la preziosa sua salute. Io verrò a goderne qualche cortese influenza, se S. E. lo permetterà nel giorno 8, o 9 del prossimo, ed ora per lei corr. mese di Dicembre. Ella perdoni, se affidato al suo bel core ardisco adesso supplicarla di un imbarrazzo (sic), che non è picciolo, ma ch'è infinitamente minore delle sue forze.
    Io arriverò fra dieci, o dodici giorni a Vienna con un assai caro compagno per passarvi l'inverno, e la primavera, onde bramo, non tanto a cagione dell'economia quanto per ischivar l'imbroglio, di sapere dove alloggiare, quando usciremo dalla nostra carrozza. Vorrei ch'ella o in città, o in qualche sobborgo mi trovasse un decente allogio composto di due buone stanze contigue, atte, se si potesse, ad essere riscaldate da un solo forno, poichè costì le legna sono care. Vorrei che queste stanze fossero in bel lume, fornite ambe di buon letto, di cantarano, di due tavolini, di quattro o sei sedie, e di più vorrei che in casa, o in luogo vicino si potesse porre la nostra carrozza chiusa, acciò non rimanesse esposta alle ingiurie della stagione, ed a quelle de' ladri. Per l'affitto ella resti d'accordo, e pagheremo subito un mese anticipato: io la faccio con questa mia arbitro fino alla somma di 6 zecchini [660 d.] al mese, e sia sicura che saremo contenti dell' accordo che farà, e che gliene avremo obbligazione. Oltre di questo sarebbe bene la bella cosa, s' ella ci trovasse un servitore che oltre il tedesco parlasse l' italiano, ovvero il francese! Se poi questo servitore sapesse un poco pettinare sarebbe ancora meglio, e se gli potrebbe accordare un più pingue salario. Credo poi che a Vienna sarà facile che da luogo vicino, o in casa ci facciamo potare il nostro pranzo quando vorremo mangiare in casa. Ora ella discerne benissimo che il tempo stringe, e che conviene ch' ella abbia la bontà di operar subito, e dopo che ha fissato l' appartamento porrà il colmo alla grazia scrivendomi una letteruccia nella quale troverò scritto l' indirizzo, ed ordinerò al postiglione di condurci là. Questa letteruccia istruttiva ella la mandi diretta a me a Burckendorff [today: Purkersdorf], ch'è l'ultima stazione per quelli che arrivano a Vienna per la strada di Ratisbona e Lintz. Avrei piacere che l' alloggio non fosse lontanissimo da Vienna. Le dirò anche di più per avviso del mio compagno, che so ch' ella avrà piacere di conoscere. Se ella trovasse un alloggio, che valesse il prezzo, la faccio padrone di accordarlo anche a 7 zecchini [770 d.] al mese, ed anche qualche cosa di più, se così paresse a lei, poichè almeno una di queste stanze debb' essere bella, e spaziosa.
    Quando ci vedremo io non le parlerò della donna inglese, ma le narrerò il il perchè rifiutai di andar a Madagascar, ed ella mi loderà. Aspiro alla mia quiete, signor abbate veneratissimo, e non mi curo più ne pure della fortuna poichè non ho più alcuna di quelle ambizioni, che fanno che l' uomo le corra dietro.
    La prego di portare la mia umilissima riverenza a S. E. Ambasciatore, ed all' Ecc.mo Sig. Giacomo figlio, che spero di vedere alla Cavallerizza trottare e galoppare, divenuto abilissimo al maneggio, e di più sono sicuro che il troverò avanzato ne' suoi studj.
    Confabuleremo costì di varie cose dopo che in Vienna avrò passato qualche giorno in casa per ristorarmi dalla fatica del viaggio, poichè ho fatto in cinque giorni da Parigi a qui 400 [Italian] miglia [600 km; in reality: 660 km], e adesso in altri cinque o sei farò 480 [720 km], che separano codesta città da questo Francfort, in cui fa un freddo orribile. Il Bartoli è molto amico suo, e m' impose riverirlo. Non mi fermai a Parigi che due soli mesi, e partii malgrado l' opinione di possenti signori, che volevano fermarmi, ma ebbi le mie gran ragioni. Potrò ritornarvi nell' estate. Finiscio di attediarla assicurandola che non vedo l' ora di abbracciarla, e di darle più con fatti che con parole veraci segni dell' alta stima con cui mi pregio di essere
    Sig.r Abbate pregiat.mo mio P.rone, ed Amico Vener.mo
    Suo Um.mo ed Ob. Servitore
        Giacomo Casanova
    All' Ill.mo Sig.r Sig.r P.ron Col.mo
    Il Sig.r Abatte D. Eusebio della Lena
    nel coleggio Teresiano
    Vienna
    Frankfurt, 28. November 1783
        Signor Abbate, mein sehr lieber Herr und hochgeschätzter Freund,
    vor zwei Wochen schickte ihr Freund in Paris mir einen seiner lieben Freunde ins Haus; ich lief unverzüglich zu ihm, denn ich hatte den großen Wunsch, ihn kennenzulernen, auch wegen dem, was Bartoli mir über ihn erzählt hat. Ich konnte aber nur einige Minuten bleiben, denn gerade an jenem Tag trat die Akademie der Wissenschaften zusammen, und der berühmte Amerikaner Franklin hatte mich aufgefordert, ihn dorthin zu begleiten.
    Dann mußte ich nach Fontainebleau gehen und nach meiner Rückkehr tausend Kleinigkeiten für die Abreise aus Paris erledigen, was meine ganze Zeit in Anspruch nahm. So konnte ich nicht weiter die gesunden Grundsätze sowohl in der Mathematik als auch in der christlichen Moral Ihres lieben Herrn Cagnoli genießen, der sein Sternenstudium höchstens wegen der Abreise zweier Botschafter unterbricht.
    Der Brief, Signore, mit dem Sie mich beehrten, machte mir großes Vergnügen, insbesondere, daß Seine Exzellenz, der Botschafter, seine kostbare Gesundheit in jenen Bädern von Baden [bei Wien] gefestigt hatte. Ich selbst werde am 8. oder 9. des kommenden Monats in deren Genuß kommen, wenn Eure Exzellenz es mir gestatten, so wie ich es wage, verzeihen Sie, auf Ihre Güte bauend Sie zu ersuchen, mir für den dann laufenden Monat Dezember eine Gunst zu gewähren, die nicht klein ist, jedoch vollkommen in Ihrer Macht steht.
    Ich werde in zehn oder zwölf Tagen mit einem sehr lieben Begleiter [sein Bruder Francesco] in Wien ankommen, um dort den Winter und den Frühling zu verbringen, und es wäre wünschenswert zu wissen, wo wir nach Verlassen unserer Kutsche (nostra carrozza) wohnen können, weniger um zu sparen, als vielmehr nicht übers Ohr gehauen zu werden. Vielleicht können Sie uns in der Stadt oder einem Vorort eine anständige Wohnung besorgen, mit zwei angrenzenden Zimmern, die nach Möglichkeit von einem einzelnen Ofen beheizt werden können, denn Holz ist dort teuer. Ich hätte diese Räume gerne hell und beide mit einem guten Bett, einer Kommode, zwei kleinen Tischen und vier oder sechs Stühlen möbliert.
Außerdem würde ich gerne unsere geschlossene Kutsche (la nostra carrozza chiusa) im Haus selbst oder in der Nähe unterbringen können, damit sie weder den Verheerungen des Wetters noch dem Zugriff der Diebe ausgesetzt ist.
    Was die Miete betrifft, so werden wir Ihre Vereinbarung sofort für einen Monat im Vorraus bezahlen; mit bis zu 6 Zechinen [660 d.] pro Monat bin ich einverstanden, überhaupt aber werden wir Ihnen in jedem Fall für Ihre Bemühungen sehr verpflichtet sein.
    Darüberhinaus wäre es wunderbar, wenn Sie für uns einen Diener finden könnten, der außer Deutsch auch Italienisch oder Französisch spricht! Wenn er auch noch Frisieren kann, und sehr wenig kostet, dann wäre das sogar noch besser.
    Ich denke, daß wir in Wien ohne weiteres unsere Mahlzeiten von irgendwo in der Nähe geliefert bekommen können, wenn wir zu Hause essen möchten.
    Sie werden schon gemerkt haben, daß die Zeit drängt und Sie freundlicherweise gleich tätig werden müssen; sobald Sie die Wohnung reserviert haben werden, haben Sie die Güte, mir kurz die Adresse mitzuteilen, so daß ich dem Postillon befehlen kann, uns dorthin zu fahren. Diese Nachricht wollen Sie mir bitte direkt nach Purkersdorf schicken, der letzten [Post-] Station vor Wien für die Reisenden, die auf der Straße von Regensburg und Linz kommen.
Es würde mich freuen, wenn die Wohnung nicht übermäßig weit von Wien entfernt ist. Ich soll Ihnen gerade von meinem Begleiter, den kennenzulernen Sie sich bestimmt freuen werden, ausrichten, daß Sie auch für 7 (770 d.) Zechinen oder ein wenig mehr pro Monat abschließen dürfen, vorausgesetzt Sie meinen, daß wenigstens ein Zimmer schön und geräumig und von daher die Wohnung den Preis wert ist.
    Wenn wir uns wiedersehen, werde ich nicht mit Ihnen über die englische Dame [aus Spa] sprechen, aber erzählen, warum ich mich weigerte, nach Madagaskar zu reisen, und Sie werden mir zustimmen. Ich möchte Frieden finden, geschätztester Herr Abbate, mich auch nicht mehr um das Glück scheren, denn ich habe den Ehrgeiz aufgegeben, ihm hinterherzujagen.
    Ich bitte Sie, Seiner Exzellenz dem Botschafter meine demütigste Ehrerbietung zu überbringen, und seinem Sohn, Signor Giacomo, den ich hoffe als Reitkünstler in der Manege traben und galoppieren zu sehen, äußerst befähigt wie er ist, und sicher wird er noch weitere Fortschritte machen.
    Wir werden in Wien über allerhand zu plaudern haben, nachdem ich mich einige Tage von den Mühen der Reise zu Hause erholt haben werde, denn ich habe von Paris bis hierher 400 [italienische] Meilen [600 km; tatsächlich: 660 km] in fünf Tagen zurückgelegt, und jetzt stehen mir in weiteren fünf oder sechs Tagen noch 480 Meilen [720 km] bevor, die Wien von Frankfurt trennen, wo es schrecklich kalt ist.
    Bartoli ist Ihnen ein sehr guter Freund und trägt mir auf, Sie zu grüßen. Ich blieb nur zwei Monate in Paris und ging ungeachtet der Ersuchen mächtiger Herren, die mich aufhalten wollten, aber ich hatte meine guten Gründe. Ich werde im Sommer wiederkommen können.
Ich werde Sie nun nicht weiter ermüden, versichere Sie aber, mich nach der Stunde unserer Umarmung zu sehnen, und Ihnen mehr mit Taten als mit Worten wahre Zeichen meiner Hochachtung geben zu können; ich verbleibe als Ihr,
    Signor Abbate, mein sehr lieber Herr und hochgeschätzter Freund,
    Ihr untertänigster und ergebener Diener
        Giacomo Casanova
    Wenn die Brüder Casanova zwischen dem 8. und 10. Dezember in Wien ankommen wollten ("fra dieci, o dodici giorni"), und man eine Reisezeit von im Winter ("un freddo orribile") mindestens sechs Tagen auf der 700 Kilometer langen Poststraße zu Grunde legt, müssten sie spätestens am 5. in Frankfurt abgereist sein (Daten, die für die Geschichte meiner Familie nicht unbedeutend sind, wie man gleich sehen wird).
Das Gasthaus zur Post und "Zum Goldenen Hirschen" in Emskirchen von Johannes Eckart, und seiner Frau Maria Christina, die nach seinem Tod 1790 Posthalterin wurde. Heute immer noch Hotel, nun aber "Alte Post" genannt. Das Gebäude gilt als der am besten erhaltene Postgasthof des 18. Jhdts. in Deutschland. Ich selbst war erstmals 1977 anläßlich eines Familientreffens dort; sehr hübsch spielte man damals eine Durchreise der Kaiserin Maria Theresia samt Kutsche nach. - Fotos: PG, nach Bildern in: Werner Eckart, Chronik der Familie Eckart, München 1967.
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    Wir entnehmen dem Brief an della Lena des Weiteren, daß die Brüder die Poststraße über Regensburg und Linz nach Wien nehmen wollten; das bedeutet, sie fuhren auf dem direkten Weg, der auch über Würzburg und Emskirchen führte, zwei Posten vor Nürnberg.
    In Emskirchen steht heute noch praktisch unverändert der Gasthof "Zum Goldenen Hirschen", ein stattliches Gebäude, das damals einem meiner Ahnherren, nämlich Johannes Eckart gehörte, der im gleichen Jahr wie Giacomo Casanova geboren wurde, und dessen Tochter Johanna zu einer Urgroßmutter meiner Großmutter Anna Günther wurde.
    Im Jahre 1758 erwarb er von der Kaiserlichen Thurn und Taxis Reichspost die Pacht zum Betreiben der Poststation. Johannes Eckart blieb Posthalter von Emskirchen bis zu seinem Tod 1790.
Johanna Eckart  Anna Günther  Der Autor (altes Pastel)
    Nach meinen geschätzten Abfahrtszeiten in Frankfurt müßten die Casanovas die Post von Emskirchen nach einer Fahrt über 185 Kilometern am 4., 5. oder Samstag den 6. Dezember 1783 erreicht haben.
    Sie fuhren mit ihrer Kutsche durch das große Tor (siehe Foto hier) in eine große Halle hinein, an deren rechter Seite sich die Pferdeställe befanden. Sie stiegen aus, und betraten vermutlich den Gastraum auf der linken Seite, um sich zumindest kurz aufzuwärmen, während Pferde und Postillone gewechselt wurden. Auch mußten sie das Finanzielle erledigen, was ja durchaus mit dem Posthalter selbst geschehen sein konnte. Zudem waren die Brüder Casanova ja nicht irgendjemand, sondern feine Herren, sodaß er es sich sicher nicht hat nehmen lassen, sie persönlich zu begrüßen und zu bedienen (falls er nicht gerade abwesend war...). Und, wer weiß, warum soll nicht auch seine Frau Maria Christina mit ihrer fünf Jahre alten Tochter Johanna im Gastraum gewesen oder dahin gekommen sein, um sich die Herren anzuschauen? Ich werde es nie erfahren, wie mir auch sicher niemand die Vermutung, daß es so gewesen sein könnte, verübeln wird.
Das Thurn und Taxis Wappen über dem Tor der Post in Emskirchen. - Foto: PG.
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    Glücklich in Wien um den 10. Dezember herum angekommen, schrieb Giacomo bald wieder einen Brief an seine Freundin in Venedig. Mit Auszügen aus ihrem Antwortschreiben möchte ich die kurze, aber doch recht gehaltvolle Geschichte seines vorletzten eigenen Wagens, dessen weiteres Schicksal unbekannt ist, abschließen. [Marr 8 - 188]
    A Monsieur
    Monsieur Jaques Casanova
    en poste restante
    a Vienne
        Amico stimatisimo Venezia mercordi ultimo giorno del anno 1783
Ricevei la cara vostra che mi avete crito il 15 Xbre a Vienna e ritrovai dentro incrusa la canbiale di otto zecchini e due lire che mi avete mandato con tanto bon core. Amico mio caro, io vene sono tanto riconocente e tanto grata di tanto bene che mi fatte a iutandomi in tel gran bisogno che siamo. (...).
(...) i sopraprio de denaro che ne è restato mi ho fatto far delle sarpe e mi ho conprato due pera di calce e il resto per viver qualche giorni. (...).
intesi dala cara vostra che andate a Dresda e poi a Berlino e che sarete di ritorno a Vienna il 10 jennaro. (...).
resto sorpresa, mio caro amico, di vostri gran viagi che fatte con sto gran fredo, ma per altro voi siete un gran uomo poiche siete pieno di anima, di spirito e di coragio, poiche viagiate co sto gran fredo e non vi par niente. (...).
resto con abbraciandovi di vero core e con bramastra senpre di rivedervi e di abbraciarvi vostra vera e cinsera amica
        Francesca Buschini
    Venedig, Mittwoch, am letzten Tag des Jahres 1783
        Geliebter Freund,
Ich erhielt Ihren lieben Brief, den Sie mir am 15. Dezember in Wien geschrieben haben, und fand darin die Zahlungsanweisung über acht Zechinen und zwei Lire [893 d.] eingeschlossen, die ihr gutes Herz mir geschickt hat. Mein lieber Freund, ich bin Ihnen so erkenntlich und dankbar für all das Gute, was Sie mir erweisen, indem Sie mir in der äußersten Bedürftigkeit, in der wir leben, helfen. (...).
(...) und für den Rest des Geldes habe ich mir Schuhe machen lassen und mir zwei Paar Strümpfe gekauft; mit dem übrigen werden wir einige Tage leben. (...).
Ich vernahm Ihrem lieben Brief, daß Sie nach Dresden gehen und dann nach Berlin, und am 10. Januar wieder in Wien sein werden. (...).
Mein lieber Freund, ich bin überrascht über Ihre großen Reisen, die Sie bei dieser großen Kälte machen, aber Sie sind ein großer Mann, weil Sie voll Seele, Geist und Mut sind, weil Sie bei dieser großen Kälte reisen, und es scheint Ihnen nichts zu sein. (...).
    Ihre wahre und aufrichtige Freundin
        Francesca Buschini.


C 17   Der Wagen "Dux"
Von Casanova genannt: voiture; chaise; carro da posta.
Diese hochrangige Kalesche (darin: meine Mutter) wurde frühestens 1785 gebaut, so daß Graf Waldstein einen Wagen dieser Art gekauft und Casanova für seine letzten Reisen zur Verfügung gestellt haben könnte. Sein eigener Wagen der ersten Jahre in Dux war vermutlich bescheidenerer Art. - Foto: PG.
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Typ: ein vierrädriger Wagen, mit Halbverdeck und Kutscherbock, also mit Chaise (wie von Casanova) oder Kalesche zu bezeichnen.
Vor- und Nachbesitzer: unbekannt.
Strecke: ich rechne 2.950 km entsprechend den Reisen Nr. 12 - 20, als er von Dux aus nach Carlsbad, Prage, Dresden, Leipzig und Sagan fuhr.
Zeit: Juli 1786 - September 1791.
Wert 1789: weniger als 50 Dukaten (6.000 Pence).
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    Casanova, ab 1785 Bibliothekar des Grafen Waldstein in Dux, hatte wahrscheinlich schon im Jahre 1786, sicher aber 1789 einen eigenen Reisewagen. Für die anschließende Zeit habe ich keine Belege hinsichtlich eines Fahrzeuges gefunden. Wahrscheinlich ist, daß er ihn nach Oktober 1791 weggegeben hat, denn von da an hat er vier Jahre lang keine Reisen unternommen. Anzunehmen ist auch, daß er für seine letzten drei Reisen (1795, 1796, 1797) vom Grafen einen Wagen geliehen bekommen hat; dafür spricht auch Casanovas Bemerkung in dem unten erwähnten Brief von 1797.
    Was die unter Umständen mögliche Benutzung der öffentlichen Postkutsche betrifft, so hat Casanova sicher nicht mehr damit reisen müssen; einem Siebzigjährigen seines Standes war das nicht zumutbar.
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    Hinsichtlich des Wagens "Dux" ist die Quellenlage so:
    1.) Da ist zunächst der Brief des Grafen Waldstein an Casanova vom 21. Juni 1786 aus Paris [Marr 14 M1] . Darin schreibt er u.a.: "Vous feriez bien d'aller à Carlsbad avant mon arrivez qui sera dans le courant du mois d'aout; pour y aller le directeur vous donnera des chevaux, et pour revenir vous trouverez facillement une occasion puisque c'est sur la route de Töplitz et de Dresde". Da es nicht heißt, daß der Verwalter "Ihnen einen Wagen geben wird", sondern "Ihnen Pferde geben wird" (um zur nächsten Poststation in Brix zu kommen), gehe ich davon aus, daß Casanova einen eigenen Wagen hatte, zumal der Graf noch auf die Extra-Post-Straße von Eger über Carlsbad nach Töplitz aufmerksam macht, auf der er dann wieder mit Postpferden heimreisen konnte.
     2.) Sodann haben wir Casanovas Abschrift seines Briefes an den Fürsten Belozelski vom 30. Oktober 1788 aus Dux [Marrco 40-14; u. [Laf]Bd.3,S.1185f.] . Hier schildert er, wie er mit "einem Wagen" (une voiture) von Dresden abreiste und von der Wache gezwungen wurde, "meine Chaise" (ma chaise) und sich selbst untersuchen zu lassen, denn man suchte Coreggios "Magdalena", die gerade gestohlen worden war.
    3.) Bald darauf, am 2. Februar 1789, schrieb Casanova in Dux an seinen Neffen Carlo in Dresden [Marrco 40-139; u. Intermédiaire 1991 S.31] einen Brief, in dem er berichtet, wie er, sein Diener und der Postillon auf der Rückreise von Prag bei Laun mit dem Wagen samt Pferden bei Glatteis in den Fluß rutschten. Zwar nennt er den Wagen "il carro da posta", da aber von weiteren Passagieren nicht die Rede ist, wird es sich wohl nicht um einen öffentlichen Postwagen gehandelt haben, sondern um seinen eigenen Reisewagen, den er hier in Anlehnung an die private französische "chaise de poste" benennt.
    4.) Am 27. Juni des gleichen Jahres schrieb Casanova in Dux einen Artikel, den er Essai d'Égoisme nannte [Marr 18-36; u. [Laf]Bd.3,S.1227ff.] . Darin erwähnt er seinen Wagen ("ma voiture") gelegentlich eines Streits mit einem Mitbewohner im Schloß, Graf Serbelloni. Dieser wollte in Casanovas Wohnung ziehen; der widerum hätte nur dann zugestimmt, wenn der Graf ihm seinen Wagen für 50 Dukaten (6.000 d.) abgekauft hätte. Serbelloni meinte aber, die Kutsche sei zu alt und einen solchen Betrag nicht wert.
    5.) Ebenfalls aus dem Jahre 1789 stammen Blätter der Verwaltung von Schloß Dux, die mit "Duxer Schloßßer Conto" und "Satler Conto" überschrieben sind [Staatl. Archiv, Prag; Kopien: M. Leeflang] . Schlosser- und Sattlerarbeiten wurden hier einschließlich der Kosten genau beschrieben; allerdings kann ich die Schrift nicht vollständig entziffern. Immerhin ist deutlich "Casanova Wagen" und "Casanova seinem Wagen" zu lesen, und es ist klar, daß es sich um umfangreiche Reparaturen gehandelt hat.
Sattler Conto: Item (..) das Cassanove Waagen (..) aufgetrennt (..) Vorfall [zusätzlicher Wetterschutz am Klappverdeck] angenäht (..) Knöpfen und (..) angestochen (..) wieder zugenäht und eingefaßt den gutscher Sitzin und auswendig mit ganz neuen (..) ausgepolstert und eingefaßt den Fuß Sack ausgebessert (..) strippen und schnallen angemacht. 6 [Gulden] 15 [Kreuzer; = 187,5 d.].
Schlosser Conto, Casanova betreffend ca. 45 Wörter, lesbar nur: (..) v. Casanova seinem Wagen (..) zum Gutscher Sitz ( - - - ) Vorfall ( - - - ) Schrauben und Mutter ( - ). 1 [Gulden] 9 [Kreuzer; = 34,5 d.].

    Ende November 1797 plante Casanova für den kommenden Frühling eine Reise nach Venedig, das inzwischen österreichisch geworden war, um "meinem glücklichen Land ein letztes Lebewohl zu sagen"*. In einem Brief* an Graf Waldstein bat er um die Erlaubnis, Dux zu verlassen, und ihm einen "geschlossenen Wagen" zur Verfügung zu stellen. Waldstein antwortete*, daß er das Vorhaben "von ganzem Herzen" unterstütze. Als es aber Frühling wurde, waren Casanovas Reisezeiten für immer vorbei.
    [* M. Leeflang, Les Archives de Dux, Marr 14 M 36, Fußnote.]
Der gräfliche Bibliothekar Giacomo Casanova
im Alter von 71 Jahren in Dux.
Kopie von Schuddebeurs eines Gemäldes seines Bruders Francesco
im Besitz von Marco Leeflang, jetzt im Casanova-Museum in Dux. Foto: PG.

Fortsetzung: Poststraßen (Teil IX).

Copyright by Pablo Günther, Hergensweiler 2012.

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