DIE CASANOVA TOUR
von Pablo Günther

( InhaltTeil II:
POST, ALPENPÄSSE, SCHIFFE: Casanova und das Reisen im Jahrhundert der Grand Tour.
(Fortsetzung von  Teil I :) Die Post: Nationale Besonderheiten - Französisches Postreglement - Kosten : Sechstausend Postpferde / 1 Postpferd  /  Postwagen / Fuhrmänner / Mietwagen / Cambiatura / Taxis / Wagenkauf - Reiche und arme Privatwagenfahrer - Geschwindigkeiten - Straßen - Alpenpässe - Der Mont Cenis - Schiffe . (Teil III : Reisewagen)


Die Post: Nationale Besonderheiten.
    Um 1725 hatten sich schließlich alle Staaten das Monopol über die Post angeeignet. Der Betrieb der Poststationen wurde in der Regel an Gastwirte verpachtet. Ausnahmen von den Verstaatlichungen und gewisse Besonderheiten waren:
    In der Schweiz gab es sowohl Privat- als auch Kantonalposten, die aber an Reisende keine Pferde vermieteten. Das meinte Casanova, als er bemerkte (GmL,Bd.6,Kap.III,S.98): "In der Schweiz gibt es keine Posten". Dennoch konnte er mit seinem Wagen durch das ganze Land reisen; vermutlich beschaffte er sich Pferde von Fuhrleuten oder Bauern.
    Die offizielle Post des Heiligen Römischen Reiches Deutscher Nation war die Kaiserliche Thurn und Taxis Reichspost, ein im Jahre 1490 gegründetes Privatunternehmen. Sie versorgte jedoch nicht das ganze Reichsgebiet, sondern nur den Süden und Westen, einige mittlere Staaten und die Österreichischen Niederlande.
    Ihre eigenen Staatsposten hatten: Österreich, Preußen, Sachsen, Hessen - Kassel, Hannover, Braunschweig, Mecklenburg und größere Reichs- oder Hansastädte.
    In Italien gab es entsprechend der politischen Verhältnisse sechs größere Staatsposten:
1. Die Österreichische Post in den Herzogtümern Mailand, Mantua und Toskana;
2. die Römische Post des Kirchenstaates;
3. die Post des Königreichs Sardinien (Savoyen, Piemont);
4. die Post des Königreichs Neapel;
5. die Post der Republik Genua;
6. die Post der Republik Venedig.
    Zusätzlich waren da noch die kleineren Posten von Modena und Parma, sowie die auch "Flandrische Post" genannte Thurn und Taxis Reichspost in einigen größeren Städten.

Französisches Postreglement.
Die Lektüre der "Extraits des Règlements sur le Fait des Postes" des Postkursführers "Liste Générale des Postes de France" von 1781 macht das Reisen mit der Post anschaulich. Die Vorschriften waren in allen Ländern im Prinzip gleich oder ähnlich.
Gewichte & Beladung mit Kisten, Koffern, Schachteln und Mantelsäcken.
     Zweirädrige Wagen mit [starrer] Gabeldeichsel (brancard), und vierrädrige mit einem Einzelsitz und [beweglicher] Gabeldeichsel (limonière), dürfen hinten mit nicht mehr als hundert Pfund beladen werden, und vorne mit nicht mehr als vierzig.
     Jeder Courier à franc étrier [Reiter im Gallop; gemeint ist hier eine Person, die einen Privatwagen begleitet; z.B. Casanovas Diener Leduc als Vorreiter] darf nur seine Satteltaschen beladen.
     Die Couriers en guide [vom Postillon geführte Einzelreisende] dürfen keine hölzerne Kiste mit sich führen, sondern nur einen Mantelsack von höchstens fünfzig Pfund; er darf nicht auf die Kruppe des Postillonpferdes geladen werden.
Anzahl der Pferde und Postillone, die Reisende nehmen müssen.
     Jeder Courier à franc étrier, der keinen Wagen begleitet, muß einen berittenen Postillon als Führer nehmen [wie Casanova, als er einmal von Pont-de-Beauvoisin nach Lyon ritt].
     Ein Postillon kann bis zu fünf Reiter begleiten; sind es sechs, so müssen sie einen zweiten Postillon engagieren.
     Die zu bezahlende Anzahl der Pferde muß der Zahl der Passagiere im Wagen entsprechen, ob sie nun darin oder hinten drauf sitzen, (...) wie im Folgenden genau erklärt wird:
Zweirädrige Wagen, mit Gabeldeichsel.
     Befördern sie eine Person, dann müssen sie von einem Postillon geführt und mit zwei Pferden bespannt werden [wie Casanova in seinen verschiedenen Chaises de Poste].
         2 Personen: 1 Postillon, 3 Pferde.
         3 Personen: 1 Postillon, 3 Pferde, aber man muß für 4 bezahlen.
         4 Personen: 1 Postillon, 3 Pferde, bezahlen für 5.
         (...)
     Die Cabriolets, genannt à soufflets [Wagen mit Klappverdeck], und alle anderen ohne Fenstergläser, eine Person darin, dürfen nur mit zwei Pferden bespannt, und von einem Postillon geführt werden.
Vierrädrige Wagen, einsitzig, mit Gabeldeichsel.
     Befördern sie eine oder zwei Personen, ohne Gepäck, dann müssen sie von einem Postillon geführt und mit drei Pferden bespannt werden.
         2 Personen, mit Koffer und Mantelsack: 2 Postillone, 4 Pferde.
         3 Personen: 2 Postillone, 4 Pferde, aber man muß für 5 bezahlen.
         4 Personen: 2 Postillone, 6 Pferde.
Vierrädrige Wagen, mit Deichsel.
     Befördern sie eine oder zwei Personen, dann müssen sie von zwei Postillonen geführt und mit vier Pferden bespannt werden [wie Casanova mit seinen verschiedenen Coupés].
         3 Personen: 2 Postillone, 4 Pferde, bezahlen für 5.
         4 Personen: 2 Postillone, 6 Pferde.
         5 Personen: 2 Postillone, 6 Pferde, bezahlen für 7.
         6 Personen: 3 Postillone, 8 Pferde, bezahlen für 9.
(Ordonnances du 28 Novembre 1756.)
 Preise für Pferde.
    Im ganzen Königreich müssen alle Personen gleich welchen Standes, bevor sie die Poststation verlassen, 25 Sols per Post für jedes Pferd bezahlen, wofür sie es auch immer gebrauchen [12,5 Pence (d.); 1,38 d. pro Kilometer]. (Ordon. des 8 Déc. 1738 & 28 Nov. 1756.) Siehe das Calcul:
Preistabelle für Postpferde. "Liste Générale des Postes de France", Paris 1781. - Foto: Museum Achse, Rad und Wagen, Wiehl.
 ---------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------
Königliche Posten (Postes Royales).
     Beim Betreten und Verlassen der Städte Paris, Versailles und Lyon kostet die erste Post das Doppelte, auch wenn der König abwesend ist (...).
Abseits der Poststraße (Traverse).
     Postmeister dürfen Reisende (Couriers) nicht mehr als vier Meilen [4 lieues = 18 km] weg von der Poststraße gehen lassen (...).
Einschiffungen.
     Die Pächter der Fluß-Schiffe (- Coches & Diligences) und die Fährleute der Orte mit einer Poststation dürfen Post-Reisende (Couriers) nicht an Bord gehen lassen, ohne drei Livres für jede Person, ob Herr oder Diener, für den Posthalter kassiert zu haben.
     Als Couriers werden auch solche betrachtet, die Berlinen oder Chaisen, Sättel oder Koffer einschiffen. (Ordonnances des 19 Aout 1735 & 15 Avril 1746.)
Fracht-, Dienst- und Eilpostpferde.
     Es ist den Reisenden verboten, mit List oder Gewalt Pferde an sich zu nehmen, die für Frachtwägen und Postkutschen bestimmt sind, und auch solche, die beim Postmeister reserviert wurden [wie z.B. die von Casanovas Diener und Vorreiter Leduc bestellten, bezahlten und bereitgehaltenen].
 Spezielle Vorschriften (Police).
     Es ist den Reitern (Couriers à franc étrier) verboten, ihr eigenes Zaumzeug zu benutzen.
     Sie dürfen den Postillon nicht überholen; den Posthaltern ist es verboten, ihnen Pferde zu geben, wenn sie ohne Postillon ankommen (...).
     Vorreiter müssen an der Poststation die Ankunft des Wagens ihres Herrn abwarten.
     Es ist verboten, Diener, Postillone oder Pferde zu mißhandeln (...).
     Posthalter dürfen Wagen, die nicht von Postpferden gezogen ankommen, nicht mit Postpferden bespannen lassen.
     Reisende können einen Postillon nicht zwingen, mehr als eine Post mitzugehen.
     Reisende müssen in der Reihenfolge, wie sie an der Poststation ankommen, bedient werden.
     Es ist den Postmeistern verboten, Postillone anzustellen, die jünger als sechzehn Jahre sind.
     Die Kosten für Strassen, Fähren, Brücken und an Zollämtern müssen von den Reisenden bezahlt werden und sind unabhängig von denen für den Postkurs.

Kosten.
    Die Bezahlung für das Reisen mit der Post richtete sich nach der Anzahl der "Posten", wie die Entfernung zwischen zwei Stationen genannt wurde. Die Norm war in jedem Land verschieden:
England: ............................. 8,0 km, 5 miles, oder "one post(-stage)".
Frankreich und Holland: ....... 9,0 km, 2 lieues / Meilen, oder "une poste".
Russland: .......................... 10,7 km, 10 Werst, oder eine Post.
Italien: .............................. 12,0 km, 8 miglia, oder "una posta".
Deutschland: ..................... 15,0 km, 2 Meilen, oder "eine Post".
    Beispiel: Wenn die tatsächliche Entfernung zwischen zwei Poststationen in Frankreich 3 Meilen statt der Norm von 2 betrug, dann mußte man für "eine und eine halbe Post" bezahlen. Nugent (Bd.IV,S.17) : "Die Posten (post-stages) sind selten über eineinhalb, oder zwei Posten (posts) lang".
    Ausnahmen: Holland und norddeutsche Länder rechneten in ihren Meilen ab.
     Um eine Vorstellung der hohen Kosten für das Reisen mit der Post zu vermitteln, habe ich die Entfernungen in Kilometer und die Währungen in den englischen Penny (d.) des 18. Jahrhunderts umgerechnet, der in etwa der Kaufkraft des EURO in Deutschland entspricht (vgl. "Währungen"):
    So kostete der Platz in einer Postkutsche etwa 1 bis 2 Pence pro Kilometer, und die Miete eines Postpferdes zwischen 1,38 und 3,33 d. für 1 km, je nach Land.
    Das war sehr teuer: für nur 2 Kilometer in einer deutschen Postkutsche mußte man 1766 etwa so viel bezahlen wie für eine Art "Big Mac" in Hases Garküche in Berlin (2,70 d.; vgl. hier "Mr. Nugent's Wechselkurse").
    Heute (April 2002) kann man für den Preis eines wirklichen Big Macs (2,70 Euro) 19 Kilometer mit der Deutschen Bahn fahren (Fernverkehr), oder gut 2 Liter Autobenzin kaufen.
    Casanova, der meistens vier Postpferde vor seine Reisewagen spannen lassen mußte, wäre dafür (nämlich für 2,7 d.) im Durchschnitt nur 350 Meter weit gekommen...
Sechstausend Postpferde.
     Bis 1774 (im Berichtszeitraum der Memoiren) fuhr Casanova als Benutzer der "Fahrpost" nur zu 22,3 Prozent der Gesamtdistanz mit Postkutschen, aber zu 77,7 Prozent fuhr er "Extra-Post", also mit seinen eigenen (C 1 - 14), gemieteten (L) oder seiner Freunde (K) Reisewägen, und eben stets mit Postpferden.
    Extra-Post - Reisende hatten noch den Vorteil, daß sie auch da fahren konnten, wo keine Postkutschen verkehrten, sondern nur die - natürlich berittene - Briefpost.
    Damals war das Extra-Post Fahren die komfartabelste, aber auch teuerste Reiseart, heute vergleichbar mit der Benutzung eines Privatflugzeuges.
    Insgesamt, also bis 1798, legte Casanova in seinen eigenen oder gemieteten Reisewägen 30.665 Kilometer zurück.
Im Durchschnitt mietete er 3,6 Postpferde, die nach - wieder durchschnittlichen - 18 Kilometern gewechselt wurden. So zahlte er insgesamt ca. 250.000 Pence bei 1.704 Pferdewechsel für 6.134 Postpferde...
Kosten für 1 Postpferd.
Englische Pence (d.)
Frankreich (Liste générale, 1781): pro Post 25 Sols; pro km: ....................................... 1,38
Kirchenstaat, Parma, Mailand (Nemeitz, 1726): pro Post 4 Paoli; pro km: ................. 1,92
Venedig (Mead, 1740): pro Post 4 französ. Livres; pro km: ......................................... 3,33
Toskana (Smollett, 1764): pro post 3 Paoli; pro km: .................................................... 1,50
Preußen (Nicolai, 1769): pro Meile 9 Groschen incl. Postillon; pro km: ......................... 2,16
Österreich & Böhmen (Nugent, 1756): 45 Kreutzer pro Post,
     und 20 Kr. für den Postillon; pro km ..................................................................... 2,16
Franken, Schwaben, Rheinländer (Nugent, 1756): 60 Kr. plus
     20 Kr. für den Postillon; pro km ........................................................................... 2,64
Niederlande (Mead, 1792): pro englische Meile 5 Pence incl. Postillon; pro km ............ 3,12
  [Durchschnitt pro 1 km: 2,28]
 .
Postwägen und Postkutschen.
Man muß zwischen den einfachen offenen Postwägen und den komfortableren geschlossenen Postkutschen unterscheiden.
1 Sitz in der "Newberry flying stage coach" (The Daily Post, 27-4-1727)
         London - Newberry 9 Shillings; ./. 100 km = pro km: ......................................... 1,08
1 Sitz in der (großen Fracht-) "coche" (Nugent, 1756) Paris - Versailles
         25 Sols; ./. 20 = pro km: .................................................................................... 0,62
1 Sitz in der "stage-coach" (Nugent, 1756) Paris - Lyon 75 Livres; ./. 460 = pro km: ...... 1,63
1 Sitz in dem "gewöhnlichem Postwagen" (Nugent, 1756) in Deutschland
         "etwas weniger als 2 Pence jede englische Meile", plus 2 Groschen
        für den Postillon pro Post; pro km: ...................................................................... 1,49
 ditto, Preußen, pro 1 dt. Meile (Nicolai, 1769): 6 Groschen; pro km ............................. 1,49
1 Sitz in dem "Postwagen" (Nugent, 1756) Rotterdam - Antwerpen
        9 Gulden 9 Stüver; pro km: ................................................................................ 1,86
 .
Fuhrmänner.
Fuhrmänner wurden in Frankreich "voiturin" genannt, in Italien "vetturino" (oder "procaccio" in Venedig), in England "carrier" und hier auch "Landkutscher". Ihre Dienste wurden überall in Europa gerne in Anspruch genommen, und in jedem Fall dort, wo es keine Poststraßen gab. Als Konkurrenten der Postgesellschaften durften sie keine Postpferde mieten. Da stets mit den gleichen Zugtieren unterwegs, war ihre Geschwindigkeit recht gering.
Venedig (J. C. Goethe, 1740): 2 Personen incl. Essen, pro Tag
         und etwa 50 Kilometer, 1 Zecchine; pro km: ........................................................ 2,22
Piemont (Casanova, 1762): 2 Personen, Genf - Mont Cenis (teuer!) - Turin
         8 Louis d'or; pro km: ......................................................................................... 6,00
 .
Mietwagen.
Reisewagen und Pferde wurden für gewöhnlich von der Post gemietet, Stadtwagen von Privatunternehmern.
Frankreich (Casanova, 1763): Grundpreis (ohne Pferde) Paris - Lyon 144 Francs; pro km: ..... 3,13
Paris (Martyn, vor 1770): Miete für eine Stadtkutsche pro Monat 12 Guineen; pro Tag: ......... 96,00
Rom (Nugent, 1756): Miete einer "Kutsche und 2 Pferden" pro Monat 11 Pistolen; pro Tag: .. 66,00
 .
Cambiatura.
Die "Cambiatura" war eine Spezialität in Nord- und Mittelitalien. Sie erinnert an die verbilligten Benzingutscheine, die noch bis 1991 an Autofahrer abgegeben wurden. Jedenfalls sparte man bei der Miete von Postreisewägen und Pferden Geld; dafür mußten aber die Fahrzeuge an jeder Station gewechselt werden (daher wohl die Bezeichnung), was wegen des Gepäckumladens sehr hinderlich war, und falls man einen Postillon wünschte, mußte man ihn zusätzlich bezahlen. In Venedig war diese Methode als "Bollettino" bekannt. Casanovas Freund Simone Stratico bemerkte, daß er 1770 in Mailand ein Drittel der üblichen Miete sparte, nachdem er sich den Schein für die Cambiatura vom Postminister geholt hatte.
Toskana (Smollett, 1764): pro Post und 2 Pferde 10 Paoli; pro km: ..................................... 5,0
Piemont (Smollett, 1764): dito, 5 1/2 Livres; pro km: ......................................................... 4,6
Venedig (Sharp, 1765): pro Post und 4 Pferde 7 Shillings 3 Pence; mit 2 Pferden, pro km: .... 3,6
 .
"Taxis".
Wagen und ihre Kutscher zum Mieten, lizensiert und reglementiert durch städtische Verordnungen. Sie wurden z.B. Droschken, Fiacres, Fiaker oder Hackneys genannt. Bereits im 16. Jahrhundert wurden sie in Rom eingeführt (Wackernagel, in: Treue, S.213), und sind seit dem 17. Jhdt. auch in London, Paris, Wien, Berlin und anderen Großstädten nachweisbar.
Paris (Casanova, 1759): Fiacre (keine weitere Angabe): 24 Sols ............................. 12,0
Berlin (Nicolai, 1766): "Für eine Fahrt innerhalb der Städte
        Berlin, Cölln und Werder": 4 Groschen .......................................................... 7,2
        "Von hier zu den nächsten Vororten" 5 Gr. .................................................... 9,0
         Wartezeit: erste Stunde: 8 Gr. ..................................................................... 14,4 *
         Zweite und weitere Stunden: 4 Gr. ................................................................ 7,2
              [* zum Vergleich: 1 Stunde Wartezeit in Heidelberg 2002: 18 Euro.]
.
Wagenkauf.
Paris & Calais (Smollett, 1763): ein gebrauchter Reisewagen: 35 Guineen ........................ 8.400
Lyon (Casanova, 1763): eine gebrauchte zweirädrige Chaise de Poste: 40 Louis d'or ........ 9.600
Rom (Nemeitz, 1725): eine neue, einfache Sedia
        (zweirädrige "Italienische Chaise"): 30 Scudi .............................................................. 1.800
Bologna (Casanova, 1749): ein gebrauchtes Englisches Coupé: 200 Röm. Zecchinen: ....... 21.600
Bologna (Casanova, 1772): ein gebrauchtes (Englisches?) Coupé:  300 Röm. Scudi: .......... 18.000
Genf (Casanova, 1762): ein gebrauchtes Englisches Coupé: 100 Louis d'or
        (24.000 d.), plus eine Kutsche im Wert von ca. 6.000 d.: .......................................... 30.000
Berlin (Nicolai, 1781): ein neuer "Wiener Wagen" zum Reisen,
         vierrädrig, viersitzig, Notverdeck: 70 Dukaten ........................................................... 8.400
Mainz (Casanova, 1783): eine gebrauchte vierrädrige und zweisitzige Chaise: 5 Louis d'or ... 1.200
London (Goodwin, 1756 - 1799, und Felton 1794): neue Post-Chaisen
         und Post-Chariots, mit Grundausstattung: Preise um 100 Guineen ........................... 24.000
         Luxusmodell: bis zu 200 Guineen ........................................................................... 48.000
London (Lamberg [Marr 2-71], 1790): Gala-Wagen für die Zarin
 Katharina II., gebaut von John Hatchett: 6.000 Rubel ..................................................... 324.000
London (La Roche, 1785): Gala-Wagen für den Nabob von Arcot,
         ebenfalls von John Hatchett: 5.000 Guineas ......................................................... 1.200.000

Reiche und arme Privatwagenfahrer.
    Eine recht seltene Reiseart war es, wenn einer immer die gleichen Wagenpferde benutzte. Sehr langsam gelangten so im Jahre 1792 der Mozart - Librettist Lorenzo da Ponte und seine Frau Nancy von Triest nach Dux zu einem alten Bekannten, nämlich zu Casanova. Zusammen fuhren sie dann ins nahe Töplitz, wo der Wagen zusammenbrach und für 60 Piaster (2.640 d.) verkauft werden mußte. Dabei spielte Casanova den Vermittler, was ihn veranlasste, zwei Zechinen oder gut 8 % (220 d.) für sich zurückzubehalten, und zwar deswegen, um seine Rückreise nach Dux bestreiten zu können.
    Da Ponte erzählt weiter (S.122 f.) : "Er setzte hinzu, da er mir die beiden Zechinen ebenso wenig wie die früher geliehene Summe ["einige hundert Gulden", also einige 3.000 d.] zurückgeben könne, so wolle er mir zum Dank dafür drei Ratschläge erteilen, die mehr Wert wären als alle Schätze der Welt." - So gewissenhaft war Casanova beim Bezahlen seiner Schulden.
    In krassem Gegensatz dazu pflegte Casanovas Dienstherr in Dux, der Pferdenarr Graf Joseph Karl von Waldstein, im Jahre 1796 zwischen Prag und Wien zu reisen. Dort verließ er sich nicht nur auf Postpferde, sondern konnte noch auf eigene Relais zurückgreifen, in denen er insgesamt 36 Pferde deponiert hatte. Für ein zügiges Vorankommen war dies eine zweckmäßige Maßnahme, denn, wie ein weiterer Freund Casanovas, der achtzehnjährige Prinz Karl Joseph von Clary - Aldringen (Foto: Marco Leeflang) aus Töplitz, uns in seinem Tagebuch* weiter mitteilt, war der Graf, als sie sich am 23. Juni in Znaym trafen, mit zwei Wagen und jeweils sechs und zwei Vorspannpferden unterwegs.
    Jedoch war damit der Gipfel an Reiseluxus noch nicht ganz erreicht. Drei Tage später (26. Juni) vermerkt Clary in seinem Tagebuch:
    "Wir sind in Prag um halb zehn abgereist. In Schlan haben wir zu Mittag gegessen; dort trafen wir den Koch der Frau [Gräfin Wilhelmine] von Lichtenau an, der ihr das Mahl zubereitete. Weder Semiramis noch Cleopatra reisten mit soviel Aufwand wie Frau von L. Sie benötigte 18 Pferde bei jeder Post; ihr Koch und ein Kurier immer vorneweg, denn sie mußte überall ein Essen wie bei sich zu Hause vorfinden. Ihr Koch hat uns einige petits plats parfaits, de biscuits et d'oranges, aufgetischt. Sie kommt aus Italien, wo sie fast ein Jahr lang war, bis sie es für angebracht hielt, nicht auf die Ankunft der Franzosen [General Bonapartes Armee] in Venedig zu warten, sondern nach Berlin zurückzukehren. In Wien machte sie acht Tage Station. Man sagt, daß der König [von Preußen, Friedrich Wilhelm II.] ihr für die Rückreise 26.000 Thaler [1.404.000 d.] geschickt hat."
.
Die "Preussische Pompadour", Wilhelmine Gräfin von Lichtenau. Gemälde von Angelika Kaufmann, Neapel 1795/96 (Ausschnitt). Aus: E. Cyran, Preußisches Rokoko, Berlin 1979. Foto: PG.
.
------------------------------------------
[* Lolo. Le Journal du prince Ch. J. Clary- Aldringen. Hg. von M. Leeflang, Utrecht 1995.]

Geschwindigkeiten.
    Damals wie heute war die Reisegeschwindigkeit für Fahrzeugbenutzer auf der Straße abhängig von Straßenverhältnissen, Wagen, Geldbeutel, Lust und Laune. Casanova, als wohlhabender Privatwagenfahrer, konnte 240 km, oder auf besonders guten Straßen noch etwas mehr, in 24 Stunden zurücklegen, wenn er also Tag und Nacht unterwegs war (das war üblich, wenn man nur zum Ziel wollte; außerdem sparte man die Kosten für Übernachtungen).
    Als Faustregel ein Vergleich: Privatwagenfahrer, die zwölf Stunden am Tag unterwegs waren (das war etwa die Reisezeit für nicht so Eilige), kamen so viel oder so wenig weiter wie wir heute in einer Stunde.
    Die Postwagen waren erheblich langsamer. Schnelle, wie die Eilpost in Frankreich, schafften 5 km/h; die langsamsten, wie in Deutschland üblich, oft nur 2 km/h.

Straßen.
    Der Zustand der Straßen gab Casanova lediglich einmal Anlass zur Klage, nämlich zwischen Magdeburg und Berlin, wo ihn der durch die schlechten Wege verursachte Zeitverlust ärgerte. Sonst beschwert er sich nie; im Gegenteil, er lobte öfter die "ausgezeichneten" Straßen in Italien und Frankreich, wo er dann auch sehr schnell reisen konnte.
   In vier Ländern gab es nämlich schon Chausseen (Highways, Hochstraßen / Fahrdämme), also befestigte "Kunststraßen": Frankreich, England, Italien und die Vereinigten Niederlande (die auch über ein ausgezeichnetes Netz von Wasserstraßen verfügten). In allen anderen Ländern Europas wurde zielstrebig erst vom Ende des 18. Jahrhunderts an mit der Anlage von Kunststraßen begonnen.
    Das Fahren auf den unbefestigten Straßen war oft gefährlich, auch wegen der Spurrillen. Casanova beschrieb Unfälle und ihre Folgen einmal so (GmL,Bd.7/XI/S.284) :
"Ich selbst war es schon gewohnt, mit dem Wagen umzustürzen, und so hatte ich mich nicht verletzt. Das liegt nur an der Haltung. Don Ciccio hatte sich vielleicht deshalb den Arm verletzt, weil er ihn [aus dem Wagenfenster] hatte heraushängen lassen."
    Für die Benutzung von Straßen und Brücken war Maut zu zahlen, wie heute für viele Autobahnen.

Alpenpässe.
    In den Alpen wurde die erste Fahrstraße über einen Paß, die also nicht zu steil und breit genug für Wagen war, im Jahre 1387 gebaut. Es war der bereits von den Alten Römern angelegte Septimer bei St. Moritz (heute durch Julier- und Malojapaß ersetzt), der Chiavenna bzw. Mailand mit Chur verbindet (die Römer hatten ausgezeichnete Fahrstrassen, aber nur Saumpfade über hohe Pässe).
    Casanova überquerte die Alpen insgesamt 13 mal, und zwar über 5 Pässe:
Jahr*      Name                               Höhe (Meter)        Verbindungen  (Casanovas Überquerungen)
-------------------------------------------------------------------------------------------------------
1728 .. Semmering ........................... 900 ....... Wien - Graz .................. (3)
1772 .. Brenner ............................. 1,374 ....... Innsbruck - Bozen ......... (2)
1782 .. Tenda ................................ 1,871 ....... Nizza - Turin ................ (1)
1803 .. Mont Cenis ....................... 2,083 ....... Lyon - Turin ................. (6)
1905 .. Großer Sankt Bernhard .... 2,473 ....... Lausanne - Turin ........... (1)
-------------------------------------------------------------------------------------------------------
[* Jahr des Straßenbaus]
    Abgesehen vom Semmering und dem Brenner 1783 traf Casanova nur Saumpfade auf den Pässen an (Saum: höchst zumutbare, genormte Gewichtseinheit für die "Saumtiere"). Wohlhabende Reisende ließen sich auf "Tragstühlen" sitzend von Männern hinübertragen, oder ritten auf Pferden bzw. Maultieren. Post- oder Frachtwagen mußten zurückgelassen werden. Privatwagen wurden zerlegt und über den Paß transportiert; Casanova machte das insgesamt sechs Mal mit.
*  *  *
Der Mont Cenis.

    Seit Jahrtausenden gehörte der Mont Cenis zu den wichtigsten Übergängen der Westalpen. Die Passage über den uralten Saumpfad war recht leicht, und deshalb wählten nicht nur Hannibal [vgl. Josias Simler, Die Alpen, Zürich 1574, Hg. Deutscher Alpenverein 1984 im Carta Verlag, S. 88 ff.], sondern auch die Grand-Touristen sehr oft diesen Paß auf ihrem Weg von Frankreich (Lyon) nach Italien (Turin). Im November 1581 notierte Michel de Montaigne, der von Turin kam, in sein Tagebuch (S.227): "Der Aufstieg ist (...) ohne Gefahr und Schwierigkeit (...). Der Abstieg dauert eine Weile und ist gerade und steil. (...) Es ist ein hübscher, gefahrloser Scherz."  -  Kaiser Napoleon I. ließ dann den Saumpfad durch die heutige Straße ersetzen.
.
Zwei "Bergleute" befördern einen Touristen auf einem Tragstuhl hinunter nach Lanslebourg. -
Zeichnung von Keats, um 1780, aus: Brilli, Il Viaggio in Italia.
    Im Jahre 1869 wurde schließlich die aus England importierte (Fell Company) Mont Cenis Schmalspurbahn eröffnet. Sie verband Susa mit Modane und war die einzige Eisenbahn, die je über einen so hohen Alpenpaß gebaut wurde. Nur zwei Jahre später fuhren die ersten Züge auf der heutigen Linie durch den Tunnel von Fréjus. Diese schnellere Verbindung verursachte den sofortigen Bankrott der Mont Cenis Bahn - ein bemerkenswertes Beispiel von Fehlplanung.
    Zurück zu den "goldenen Zeiten" des Reisens. Die Überquerung des Mont Cenis auf dem alten Saumpfad ging, wie ich auch aus eigener Anschauung berichten kann, folgendermaßen vor sich:
    In der westlichen Tal- und letzten Poststation, Lanslebourg, hatten die Reisenden bereits eine Höhe von 1400 Metern nach langsamem Anstieg längs des Flusses Arc erreicht. Zu Fuß, auf einem Reittier oder einem Tragstuhl sitzend erreichten sie die Paßhöhe in 2083 Metern Höhe, die nur 6 km entfernt ist, in etwa eineinhalb Stunden. In umgekehrter Richtung, wenn Schnee lag, hatte man die Möglichkeit einer Schlittenpartie, die nur sieben oder acht Minuten währte; so mancher Reisender hatte sich noch einmal hochtragen lassen, um erneut in den Genuß der Abfahrt zu kommen. Jenseits der Paßhöhe erstreckt sich, zwischen Dreitausendern ringsum, ein sieben Kilometer langes Hochtal. Hier befanden sich eine Poststation, ein Hospiz, und schließlich am Ende das Dorf Grand Croix (1850 m. H.), die einzige Ansiedlung, die im später angelegten Stausee nicht untergegangen ist. Dort begann der acht Kilometer lange Abstieg, im Wesentlichen dem Flüßchen Cenischia folgend, über das Bergdorf Ferrera Cenisio (1450 m. H.) nach dem Ort Novalesa (830 m. H.), mit der ersten Poststation auf piemontesischer Seite. Dieser Streckenabschnitt war nicht so komfortabel, da zahlreiche Felsbrocken den Einsatz von Schlitten verhinderten. In Novalesa bestiegen die Reisenden wieder eine Postkutsche, einen Fuhrmannswagen oder ihren eigenen wieder zusammen gebauten Reisewagen und fuhren nach Susa, die erste richtige italienische Stadt, mit einem Triumphbogen und anderen antiken Gebäuden.
Das Dorf Grand Croix, heute die einzige, allerdings unbewohnte und zerfallende Ansiedlung auf dem Mont Cenis. Im Hintergrund der Staudamm. - Foto: PG.

Schiffe.
Antonio Canal malte das Bild "Il Bacino di San Marco" (hier ein Ausschnitt) just zu der Zeit, als der neunjährige Casanova seine erste Reise antrat. Er bestieg ein Postboot, das Burchiello genannt wurde (Bildmitte), bei der Piazzetta, überquerte die Lagune nach Fusina, und von dort wurde das Boot von Pferden auf der Brenta nach Padua gezogen. Kaum ein Grand-Tourist versäumte es, diese schöne Fahrt in seinen Briefen zu erwähnen. - Museum of Fine Arts, Boston. Aus: Briganti, Glanzvolles Europa. Foto: PG.
    . 
Il Burchiello heute. Wie zu Casanovas Zeiten können die Passagiere den Anblick prächtiger Villen venezianischer Patrizier an den Ufern der Brenta vom Boot aus genießen. Hier passiert es Mira auf dem Weg nach Padua (Foto: PG). - Die Schleuse von Dolo (Gemälde von Antonio Canal; in dem Haus in der Mitte ist heute ein Restaurant).
Modell einer Feluke, im Museu Maritim, Barcelona. Es war ein Küstenschiff, das im ganzen Mittelmeerraum in Gebrauch war. Casanova fuhr damit zwischen Antibes, Genua und Lerici. - Foto: PG.
Als Kadett der Venezianischen Kriegsmarine reiste der sechzehnjährige Casanova an Bord einer Galeere bis nach Constantinopel. - Nachbau der Galeere von Don Juan d'Austria bei der Seeschlacht von Lepanto (1571). Museu Maritim, Barcelona (Foto: Pere Vivas).
Deutsche Fähre. Ausschnitt aus einer Stadtansicht von Speyer am Rhein, von Matthaeus Merian, um 1640. - Foto: PG.
Treidelschiff und Postkutsche treffen sich an einer Brücke in Frankreich. Im Jahre 1760 fuhr Casanova auf einem solchen Schiff auf Isère und Rhone von Grenoble nach Avignon (sein Reisewagen war ebenfalls an Bord). - Aus: L'Indicateur Fidèle, Paris 1764 (Ausschnitt). Deutsches Postmuseum Frankfurt a.M. Foto: PG.
... 
Zwischen Calais and Dover charterte Casanova Postboote, auch Paketboote genannt. - S/w-Bild: "King George Packet Boat (Dover - Calais)", um 1650, Modell im Dover - Museum.  / In Farbe (Total und Detail):  "Dover-Calais Packetboat about 1815", neuzeitliches Gemälde, und copyright bei dem englischen Künstler  John Michael Groves RSMA (Royal Society of Marine Artists).  - Ich danke Hector Zerbino und Derek Oakes für die Übersendung dieser großartigen Bilder.

Fortsetzung: Reisewagen (Teil III).

Copyright by Pablo Günther, Hergensweiler 2002, 2007.

hoch 



Impressum