DIE CASANOVA TOUR
von Pablo Günther

( InhaltTeil VII:
REISEWAGEN - (Teile III, VI  - VIII ) - Casanovas Wagen (2)  -  8. Genf 2   - 9. Lyon  - 10. Wesel  - 11. Riga  - 12. Warschau  - 13. Paris 3  - 14. Salerno  -  II. Seine Wagen in Paris.  (Fortsetzung: Wagen 15. - 17:  Teil VIII )


C 8   Das Englische Coupé "Genf 2"
 Nannte Casanova: voiture anglaise.
Die sehr schöne "Diligence à l'anglaise" des Musée de la Voiture et du Tourisme in Compiègne. Vermutlich in Frankreich um 1775 gebaut. Berlinen-Fahrgestell mit Schwanenhälsen. Der in S-Federn hängende Kasten in der vollendeten Form eines englischen Reisecoupés. - Foto: PG.
----------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------
Möglicher Hersteller: Richard Grey, Coachmaker, Piccadilly, London.
Typ: Post Chariot.
Modell: "GT de Luxe".
Ausstattung: 2 Klappsitze. Vorhänge.
Neupreis (nach Casanova): ca. 250 Guineas (60.000 d.).
Vorbesitzer: Gebrauchtwagenhändler in Genf.
Kaufpreis: 100 Louis d'or (24.000 d.); Wagen "Aachen" in Zahlung gegeben.
Strecke: 2.080 km. Genf - Lausanne - Genf - Lyon - Chambéry - Mont Cenis - Turin - Mont Cenis - Genf - Mont Cenis - Turin - Mailand - Genua - (Schiff: Genua - Antibes) - Antibes - Marseille - La Croix d'Or - Avignon - Lyon - Pont-de-Beauvoisin.
Zeit: August 1762 - Mai 1763.
1. Nachbesitzer: Marcolina.
Weiterfahrt: Nach Venedig.
2. Nachbesitzer: Procuratore Francesco II. L. Morosini.
Verkaufspreis: 1.000 Dukaten im Wert von 1.000 Écus (30.000 d.).
 Kauf eines Englischen Coupés in Genf :
(8/IV/93) Als der Syndikus und ich abends zu den reizenden Cousinen fuhren, entdeckte ich einen zum Verkauf stehenden hübschen englischen Wagen und tauschte ihn mit einem Aufgeld von hundert Louis gegen den meinen um.
Ausflug nach Lodi:
(8/IX/269) Ich setzte mich auf den Klappsitz meines Wagens und hielt den Sohn der Contessa, der auf einem großen Kissen schlief, auf den Knien.
Die denkwürdige Reise von Genua nach Lyon:
Von Genua nach Antibes hatte Casanova vier Mitreisende: Seinen Bruder Gaetano, die jungen Damen la Crosin aus Marseille und Marcolina aus Venedig, sowie den Miniaturenmaler Passano.
(9/II/72) Meine Feluke war groß, hatte zwölf Ruderer und war mit einigen Steinmörsern und vierundzwanzig Gewehren ausgerüstet, damit wir uns allenfalls gegen ein Seeräuberschiff verteidigen konnten. [Mein Diener] Clairmont hatte meine Koffer und meinen Wagen so geschickt unterbringen lassen, daß darin fünf Matratzen in ihrer ganzen Länge Platz hatten und wir uns wie in einem Zimmer hätten niederlegen und sogar ausziehen können. Wir hatten dicke Kopfkissen und große Decken. Ein langes Segeltuchzelt bedeckte die ganze Barke, und an den beiden Enden der Querstange, die das Zelt trug, waren zwei Lampen aufgehängt. (...) Clairmont servierte uns eine ausgezeichnete Bouillon aus Tabletten, die ich immer bei mir hatte.
In Mentone:
(78ff.) Wir betraten die Feluke; der Offizier war von meinem schönen Wagen entzückt und machte sich daran, ihn zu untersuchen. (...).
Um vier Uhr sahen wir Nizza liegen und um sechs Uhr gingen wir in Antibes an Land. Clairmont sorgte dafür, daß alles in mein Zimmer geschafft wurde, was ich auf der Feluke gehabt hatte; am nächsten Tag wollte er dann meinen Wagen wieder zusammenbauen lassen.
(9/IV/120f.) Am nächsten Tag brachen wir [Casanova und Marcolina] mit der Absicht auf, die ganze Nacht durchzufahren und erst in Avignon Station zu machen; doch um halb sechs Uhr, eine Meile hinter Croix d'Or, riß die Verankerung der Deichsel an meinem Wagen, so daß wir einen Stellmacher benötigten. Wir mußten warten, bis uns einer aus der nächsten Ortschaft zu Hilfe kam. Clairmont erkundigte sich in einem hübschen Haus [Henriettes Schloß, vermutlich Valabre], das zu unserer Rechten am Ende einer dreihundert Schritt langen Allee stand.
Ich hatte nur einen einzigen Postillon [normal zwei] und erlaubte ihm nicht, die vier allzu lebhaften Pferde allein zu lassen. Clairmont kam von diesem Haus mit zwei Bediensteten zurück, von denen mich der eine im Auftrag seines Herrn einlud, bei ihm auf den Stellmacher zu warten. (...).
Man band die Deichsel mit Stricken fest; ich überließ alles weitere Clairmont und ging zu Fuß mit Marcolina zu dem Haus. Man hatte bereits nach einem Stellmacher geschickt, und der Wagen folgte uns langsam nach.
(123) Ein Diener kam mit der Nachricht, der Stellmacher sei im Hof und behaupte, er benötige wenigstens vier Stunden, um den Wagen wieder gebrauchsfähig zu machen. Da bat ich um die Erlaubnis hinunterzugehen und sah mir die Sache an. Der Stellmacher wohnte eine Viertelmeile entfernt; ich dachte zuerst daran, die Deichsel mit Stricken an die Vorderachse zu binden und den Wagen hinzufahren. Aber der Herr, der uns willkommen geheißen hatte, bat mich im Namen der Comtesse [Henriette], in ihrem Haus zu soupieren und die Nacht zu verbringen, denn wenn ich zum Stellmacher führe, sei das für mich unbequem; ich käme erst in der Dunkelheit hin, und der Stellmacher, der bei Kerzenlicht arbeiten müßte, würde alles schlecht machen. Er überzeugte mich; ich sagte dem Stellmacher, er solle nach Hause gehen und bei Tagesanbruch mit allem nötigen Werkzeug zurückkommen.
(124) Am nächsten Morgen stand ich frühzeitig auf, um den Stellmacher bei seiner Arbeit anzuspornen. Man brachte mir den Kaffee an meinen Wagen, und als alles bereit war, fragte ich, ob Madame schon zu sprechen sei, denn ich wollte mich bedanken. (...) Nachdem ich mich in Dankesbezeugungen erschöpft und jedem Diener, der sich zeigte, einen Louis gegeben hatte, fuhr ich ab.
Wenige Tage darauf gelangten Casanova und Marcolina nach Lyon. Ihre Ankunft schildert Marie de Nairne in einem Brief, den sie an ihren Verlobten, den schottischen Baron Michel de Ramsay, am 28. Mai 1763 schrieb (Compigny des Bordes, S.2; dort schon die fehlenden Stellen.) :
"(...) Dieser betäubende Reisende kam in einer Berline im Hotel du Parc zu Lyon gegen fünf Uhr abends an. Er machte sofort einen Höllenspektakel, weil man ihm nicht das Zimmer gab, das er angeblich vorausbestellt hatte. Sein Diener sah sehr bärbeißig aus, wie er.(...) Bei Tisch aber war er schon gleich bei der Suppe in reizender Laune, redete von tausend verschiedenen Dingen und sprühte bei hundert Themen von Geist. Wir hingen an seinen Lippen.(...) Der Chevalier d'Agis, der in seiner Nähe saß, brannte vor Begierde, diese außergewöhnliche Persönlichkeit kennenzulernen.(...) Er war groß, gebräunt und gekleidet wie ein vornehmer Herr. Schwere Ringe blitzten an seinen Fingern. Seine fremdländische Aussprache war das Drolligste, das man sich vorstellen kann. Eine sehr schöne junge Frau, gleichfalls braun, mit blitzenden Zähnen und derselben italienischen Aussprache, die mit ihm in der Kutsche gekommen war, schüttelte sich vor Lachen bei den Geschichten, die er zu unserer Erheiterung zum besten gab.(...) Nachdem die Tafel aufgehoben war, schlug er ein kleines Spiel vor. Herr de Longuemare hielt die Bank. Der Chevalier verlor zwanzig Louisdor, Herr de Longuemare vielleicht hundert und der wunderliche Unbekannte gewann einige Goldrollen.(...) Bevor wir schlafen gingen, bot er den Damen Bonbons an, und jetzt endlich konnte der Chevalier d'Agis sich, wie er es gewünscht hatte, mit ihm unterhalten.(...) Es war Herr von Casanova aus Venedig.(...)."
Weiterhin in Lyon. Casanova hatte beschlossen, Marcolina zusammen mit durchreisenden venezianischen Gesandten heimzuschicken. Mit umgerechnet 400.000 Baiocchi wollte er ihre Zukunft sichern (was auch gelang), und gab ihr noch seinen Wagen mit:
(9/V/163ff.) "Ich muß veranlassen," sagte Signor Querini, "daß mein Kammerdiener in einem anderen Wagen fährt, denn meine Kutsche hat nur zwei Sitze."
"Eure Excellenz, es bedarf keiner Vorkehrungen," warf ich ein, "denn Marcolina hat einen eigenen Wagen, in dem sich [ihre Zofe] Signora Veneranda sehr wohl fühlen wird, und in dem sie auch alle ihre Koffer unterbringen kann."
"Du willst mir also auch noch deinen Wagen schenken?" fragte Marcolina.
Ich konnte ihr nicht antworten. Ich tat, als müsse ich mich schneuzen, und trat ans Fenster, um meine Tränen zu trocknen.
(So sehr liebte Casanova seinen Wagen...)
(...). Die Abreise war für den übernächsten Tag festgesetzt. Wieder in unserem Zimmer angelangt, war ich untröstlich, zog mich um und gab Clairmont den Befehl, den Wagen zu überprüfen und für eine lange Reise instandsetzen zu lassen. Ich warf mich in einem Hausrock auf das Bett und hörte nicht auf alle durchaus vernünftigen Einwände Marcolinas.
"Denke daran, daß nicht ich dich verlasse, sondern daß du mich fortschickst," sagte sie.
Gegen sechs Uhr erschienen Signor Morosini und Signor Querini im Hof und blieben, bevor sie heraufkamen, bei meinem Wagen stehen, den der Stellmacher überprüfte. Sie sprachen mit Clairmont, dann machten sie uns ihren Besuch. Ich bat sie um Verzeihung, daß ich so nachlässig gekleidet sei. Die Betrachtungen Signor Querinis über die Menge der Schachteln Marcolinas, die im Wagen Platz finden sollten, brachten mich zum Lachen, mehr aber noch sein Erstaunen, als er erfuhr, daß es sich um den Wagen handelte, den er eben gesehen hatte, denn er war sehr hübsch. Signor Morosini sagte zu Marcolina, er würde ihr, wenn sie ihn gleich nach der Ankunft in Venedig verkaufen wolle, tausend Dukaten dafür geben, was tatsächlich tausend französischen Talern entsprach; er war das Doppelte wert. (...).
(...) wir fuhren schon um acht Uhr zu ihnen, um der Signora Veneranda Zeit zu geben, alles Nötige im Wagen zu verstauen. (...).
Ich legte Stiefel und Sporen an und sagte zu Clairmont, ich würde am nächsten Tag zurück sein; als Marcolina bereit war, stieg ich zu ihr in den Wagen, und wir fuhren zu den Gesandten. (...).
(...) bei der Abfahrt [am nächsten Morgen] setzte ich mich auf den Klappsitz gegenüber meiner Liebsten, die ich mir von der Seele riß, und der Signora Veneranda, die uns lange damit unterhielt, die Schönheit und Bequemlichkeit dieses Wagens über alle Maßen zu preisen und von ihrem Glück zu schwärmen, daß man sie, wie ihr Herr gesagt habe, für die Frau des Gesandten halten würde, denn die anderen Wagen waren nichts im Vergleich mit dem unseren.
Während man uns in Bourgoin andere Pferde anspannte, tranken wir Kaffee, und die Gesandten setzten fest, daß sie nur noch bis Le Pont de Beauvoisin fahren würden, denn Signor Querini fuhr nicht gern in der Nacht. (...).
Die Pferde waren angespannt, und auch das von mir bestellte gesattelte Pferd stand bereit, mit dem ich nach La Tour-du-Pin [zweite Post Richtung Lyon] zurückreiten wollte. Nach einer in Eile getrunkenen Tasse Kaffee gingen wir hinunter, und ich verabschiedete mich von ihren Excellenzen und allen übrigen. Schließlich umarmte ich Marcolina zum letzten Mal. Als ich sie nach elf Jahren endlich wiedersah, war sie glücklich. Nach diesem Abschied am Wagenschlag bestieg ich mein Pferd und wartete in ihren Anblick versunken, bis der Postillon losfuhr. Dann spornte ich mein Pferd zu einem wilden Galopp und hoffte, es würde stürzen und mich unter sich begraben; aber der Tod kommt nie, wenn ein Unglücklicher ihn herbeisehnt. Ich legte die achtzehn Meilen in sechs Stunden zurück (...).
 Die Prokuratoren Tommaso Querini und Francesco II. Lorenzo Morosini waren die Botschafter, die am 18. April 1763, nur wenige Wochen vor den hier berichteten Ereignissen, in ihrer "New State Coach" vom Somerset House zu St. James's fuhren, wo sie im Namen der Republik Venedig König Georg III. (etwas verspätet) zu seiner Thronbesteigung gratulierten. - "The Venetian Ambassadors New State Coach in the Public Entry in London April 18th 1763". Victoria and Albert Museum, London. Foto: PG.


C 9   Die Chaise de Poste "Lyon"
 Nannte Casanova: Solitaire.
Diese Chaise de Poste sieht genau so aus wie der von Casanova beschriebene "Solitaire". - Foto: Rudolf H. Wackernagel, München.
------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------
Hersteller u. Typ: Wie "Paris 1".
Modell: Solitaire (bedeutet Einsitzer, aber alle Chaises de Poste waren einsitzig).
Besonderes Merkmal: Keine Trittbretter.
Ausstattung: Dalesme - Federn (André Dalesme, Erfinder von Stahlfedern in Frankreich); Laternen mit Kerzen auf Federn; 3 Fensterscheiben (wie üblich); innen mit rotem Samt ausgeschlagen.
Vorbesitzer: N.N., in Lyon.
Zustand: Fast neu.
Kaufpreis: 40 Louis d'or (9.600 d.).
Strecke: 1.215 km. Lyon - Nevers - Paris - Abbéville - Calais - Brüssel - Lüttich - Roermond - Wesel.
 War 9 Monate im Hotel "Au Bras d'Or"* in Calais untergestellt.
Zeit: Juni 1763 bis Mai 1764.
Nachbesitzer: John Beckwith, in Wesel.
Verkaufspreis: Tausch gegen Coupé "Wesel".
 Tauschgrund: Die Postpferde in Deutschland waren es nicht gewohnt, in der Gabeldeichsel zu gehen.
---------------------------------
[* Der "Goldene Arm" wird von Nugent erwähnt (Bd. IV, S. 20).]
Kauf eines "Solitaire" in Lyon:
(9/V/167f.) Da ich Ablenkung nötig hatte, beauftragte ich Clairmont, für mich beim Wirt einen Platz an der allgemeinen Tafel [des Hotel du Parc] zu bestellen und sich auch zu erkundigen, wo ein anständiger Wagen zu verkaufen sei, denn ich wollte sobald als möglich abreisen. (...).
Ich hatte einen sogenannten Solitaire mit drei Wagenfenstern gekauft; er war zweirädrig mit Gabeldeichsel und Amadis-Federn*, innen mit rotem Samt ausgeschlagen und fast neu. Er kostete mich vierzig Louis.
---------------------------
[* Casanova erinnerte sich nicht richtig; die Federn waren bekannt als à la Dalesme.]
.
Zwei große Koffer hatte ich mit der Post nach Paris vorausgeschickt und nur ein kleines Gepäckstück mit dem Nötigsten dabehalten; ich wollte am nächsten Tag in Schlafrock und Nachtmütze abfahren und meinen Solitaire keinesfalls vor der achtundfünfzigsten Post [das heißt: in Fontainebleau] auf der schönsten Straße ganz Europas verlassen. Daß ich allein fuhr, erschien mir wie eine Huldigung an meine liebe Marcolina, die ich nicht vergessen konnte. Bei Tisch sagte mir ein Offizier, ich hätte diesen Wagen nur deshalb erwischt, weil er mit den ausgehängten Kundmachungen eine Viertelstunde verloren habe; er hätte schon vor mir achtunddreißig Louis geboten und auch auf vierzig erhöhen wollen, aber mein Diener hätte sie bereits bezahlt. Als er mich nach dem Zeitpunkt meiner Abreise fragte, erwiderte ich, am nächsten Tag wolle ich um sechs Uhr früh aufbrechen und rechne damit, in achtundvierzig Stunden in Paris zu sein.
Aber es kam alles ganz anders. Abfahrt in Lyon:
(174f.) Ich stieg in meinen Einsitzer, Adele setzte sich zwischen meine Beine, [ihr Vater] Moreau kletterte hinten auf, Clairmont bestieg sein Pferd und so fuhren wir ab. Es war neun Uhr.
Adele saß anfänglich sehr steif; ich forderte sie auf, sich bequemer zu setzen, und sie tat es. Sie irritierte mich nur, weil ich sah, wie unbehaglich ihr Platz war; sie konnte sich mit dem Rücken nur an mich anlehnen, und ich fand, ich dürfe sie zu dieser Ungezwungenheit nicht ermutigen, die allzu leicht Folgen haben konnte. Ich unterhielt mich mit ihr ohne jeden Hintergedanken bis l'Arbresle*, wo wir während des Pferdewechsels natürlicher Bedürfnisse halber ausstiegen.
-------------------------------
[* Heutiger Name (zweite Post nach Lyon); früher: La Bresle; Casanova schrieb versehentlich "La Bresse".]
.
Dann kletterte Adele nach mir in den Wagen, und ich reichte ihr die Hand, um ihr über die große Stufe heraufzuhelfen, denn diese Wagen haben keine Trittbretter. So war Adele gezwungen, genau vor meinen Augen die Röcke zu raffen und das Bein sehr hoch zu heben; dabei erblickte ich schwarze Kniehosen an Stelle ihrer weißen Schenkel. Dieser Anblick mißfiel mir; ich sagte zu ihrem Vater, der ihr von rückwärts half:
"Monsieur Moreau, Adele trägt ja schwarze Hosen."
Sie errötete, und ihr Vater erwiderte lachend, glücklicherweise habe sie nur ihre Hosen sehen lassen.
Diese Antwort gefiel mir; aber die Sache an sich ärgerte mich, denn den Einfall, Hosen anzuziehen, kann man in Frankreich bei einem Mädchen nur als sehr ungebührlich bezeichnen, falls es nicht ein Pferd besteigen muß; und selbst dann verzichtet ein bürgerliches Mädchen auf Hosen und begnügt sich damit, ihre Röcke richtig zu ordnen. Ich glaubte, in Adeles Hosen eine beleidigende Absicht, eine schützende Vorkehrung zu entdecken. Ihre Sorge war zwar verständlich, aber sie hätte sie sich keinesfalls machen dürfen. Dieser Gedanke verdarb mir die Laune, und ich sprach bis Saint-Symphorien [sechste Post] nichts (...).
Auf dem Weg nach London, in Calais:
(9/VII/204) Gleich nach meiner Ankunft rief ich den Wirt und ließ mir die Übernahme meiner Chaise de Poste bestätigen, die ich mit einer schriftlichen Anweisung bei ihm ließ; auch sicherte ich mir sogleich ein Schiff, um es zu einer mir zusagenden Stunde zur Verfügung zu haben.
Neun Monate später:
(10/II/42) In Calais ging ich an Land und legte mich sogleich im Gasthof 'Au Bras d'Or', wo meine Chaise de Poste stand, ins Bett.
Deutsche Postpferde waren nicht an Gabeldeichseln gewohnt:
(47)     (...) und so reiste ich in meiner Chaise weiter, die mich immer mehr zur Verzweiflung brachte, weil die Postpferde nicht gewohnt waren, in einer Gabeldeichsel zu gehen; in Wesel entschloß ich mich, sie zu verkaufen. Kaum war ich im Gasthof angekommen, legte ich mich ins Bett und sagte Daturi, er solle sich erkundigen, wer sie mir gegen einen vierrädrigen Wagen [mit einzelner Deichsel] eintausche.


C 10   Das Coupé "Wesel"
 Nannte Casanova: voiture à quatre roues.
Ein Englisches Coupé, vermutlich um 1770 in Paris gezeichnet. Fahrgestell mit einem Langbaum und zwei Schwanenhälsen. - Musée de la Voiture et du Tourisme, Compiègne. Foto: PG.
----------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------
Möglicher Hersteller: William Holliday, Coachmaker, Long Acre, London.
Typ: Wahrscheinlich ein Post Chariot.
Reisegeschwindigkeit: Wesel - Berlin: 4,5 km/h.
Vorbesitzer: General John Beckwith, London (wo Casanova ihn kennengelernt hatte), dann in Wesel stationiert.
Kaufpreis: Tausch gegen die Chaise de Poste "Lyon".
Strecke: 610 km. Wesel - Minden - Hannover - Braunschweig - Wolfenbüttel - Braunschweig - Magdeburg - Potsdam - Berlin.
Zeit: Mai bis September 1764.
Nachbesitzer: Giovanna Denis, geb. Corrini, in Berlin.
Verkaufspreis: unbekannt.
Kauf eines Coupés in Wesel:
(10/II/47)     (..) in Wesel entschloß ich mich, sie [die Chaise de Poste "Lyon"] zu verkaufen. Kaum war ich im Gasthof angekommen, legte ich mich ins Bett und sagte Daturi, er solle sich erkundigen, wer sie mir gegen einen vierrädrigen Wagen eintausche.
Am nächsten Morgen erschien zu meiner Überraschung General Beckwith in meinem Zimmer. Nach den üblichen Fragen und Besserungswünschen sagte der General, er werde selbst meine Chaise kaufen und mir einen anderen bequemen Wagen geben, mit dem ich durch ganz Deutschland reisen könne; wir wurden sogleich einig.


C 11   Der Schlafwagen "Riga"
 Von Casanova genannt: Schlafwagen.
Russischer Reise- und Schlafwagen. So könnte Casanovas "Schlafwagen" ausgesehen haben. Nach Entfernung der Räder wurden Schlittenkufen angebracht. - Umschlagbild von: Herbert von Hoerner, "Die Kutscherin des Zaren", Engelhorn, Stuttgart 1989.
--------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------
Hersteller: N.N., Rußland.
Typ: Russischer Hauswagen; "Wohnmobil".
Baujahr: unbekannt; nach Einschätzung des Hafenzollamts in Riga "alt" (daher kein Zoll zu zahlen).
Vorspann: 6 Pferde.
Platz bzw. Betten für: 2 Personen.
Zubehör: Schlittenkufen.
Reisegeschwindigkeiten: 1. Als Schlitten mit Postpferden: 10 km/h (240 km/Tag).
 2. Als Kutsche: Mit den 6 Pferden des Iswoschtschiks: 115 km/Tag;
 mit Postpferden auf verregneten Straßen: 75 km/Tag.
Vorbesitzer: Vincenzo Campioni, in Riga.
Kaufpreis: nicht bekannt, vielleicht Geschenk.
Strecke: 3.250 km. Riga - Narwa - St. Petersburg - Nowgorod - Moskau - St. Petersburg - Riga - Königsberg.
"Camping": in Krasnoje Selo, drei Tage.
Zeit: Dezember 1764 bis September 1765.
Nachbesitzer: N.N., in Königsberg.
Verkaufspreis: unbekannt.
"Kurze Reise" von Riga nach St. Petersburg (590 km):
(10/V/108f.) Campioni überließ mir seinen Schlafwagen; so war ich genötigt, sechsspännig nach Petersburg zu fahren. (...).
Ich fuhr Tag und Nacht, ohne meinen Schlafwagen je zu verlassen, und gelangte in sechzig Stunden nach Petersburg. Die Reise ging so schnell, weil ich in Riga im voraus alle Posten bezahlt hatte, was mir einen Postgeleitbrief des Gouverneurs von Livland, eines gewissen Marschall Braun, verschaffte. Die Entfernung [590 km] entspricht etwa der von Lyon nach Paris [450 km], denn die französische Meile [4,5 km] ist ungefähr so viel wie viereinviertel Werst [stimmt: 1 Werst: 1,07 km; trotzdem hat er sich verrechnet...]. Auf dem Sitz neben dem Kutscher saß ein französischer Diener, der sich angeboten hatte, mich bis Petersburg unentgeltlich zu bedienen, wenn ich ihm erlaube, daß er vorn auf meinem Wagen mitfahre. (...).
Der junge Lambert lag neben mir in meinem Schlafwagen und tat nichts als essen, trinken und schlafen, ohne je ein Wort zu sprechen; denn bestenfalls konnte er etwas über mathematische Probleme hervorstottern, für die ich mich nicht zu jeder Tageszeit interessierte. (...).
Während der kurzen Reise [sic!] von Riga nach Petersburg hielt ich nur ein einziges Mal eine halbe Stunde in Narwa an, wo ich einen Paß vorzeigen sollte, den ich nicht hatte. Ich sagte zu dem Beamten, da ich Venezianer sei und nur zu meinem Vergnügen reiste, hätte ich einen Paß nicht für notwendig gehalten, weil meine Republik mit keiner anderen Macht im Krieg stehe, und es in Venedig keinen russischen Gesandten gebe.
Reise von St. Petersburg nach Moskau (750 km):
(10/VI/135ff.) Als alles für meine Reise nach Moskau bereit war, setzte ich mich mit [meiner Freundin] Zaira in meinen Schlafwagen; einen russisch und deutsch sprechenden Diener ließ ich hinten aufsitzen. Für achtzig Rubel [4.320 d.] verpflichtete sich ein Iswoschtschik [Lohnkutscher], mich mit sechs Pferden in sechs Tagen und sieben Nächten nach Moskau zu bringen. Das war billig, und da ich nicht mit der Post fuhr, konnte ich keine größere Geschwindigkeit erwarten, denn die Reise betrug zweiundsiebzig russische Posten, was ungefähr fünfhundert italienischen Meilen [750 km] entspricht. Mir erschien das unmöglich, aber das war seine Sache. (...).
Wir gelangten in achtundvierzig Stunden nach Nowgorod, wo uns der Iswoschtschik eine fünfstündige Ruhepause gestattete.
[Wie der Iswoschtschik erfolgreich eine Kolik bekämpft:]
Dort erlebte ich etwas Überraschendes. Der Mann zeigte sich, als wir ihn zu einem Glas einluden, sehr bedrückt. Er sagte zu Zaira, eines seiner Pferde wolle nicht fressen, und er sei verzweifelt, denn wenn es nicht fresse, könne es sicher auch nicht laufen. Wir gingen mit ihm hinaus und in den Stall hinüber; dort stand das Pferd matt, unbeweglich und ohne Appetit. Sein Herr begann, ihm in sanftestem Ton eine Ansprache zu halten, und blickte es dabei mit einer Zärtlichkeit und Hochachtung an, die das Tier rühren und zum Fressen bewegen mußten. Nach dieser Ansprache küßte er das Pferd, ergriff es beim Kopf und steckte diesen in die Krippe, doch vergeblich. Nun begann der Mann zu weinen, aber so, daß ich für mein Leben gern gelacht hätte; denn offenbar hoffte er, das Pferd durch seine Tränen zu erweichen. Nachdem er ausgiebig geweint hatte, küßte er das Tier widerum und steckte von neuem dessen Kopf in die Futterkrippe, doch abermals vergeblich. Nun geriet der Russe außer sich vor Wut über eine solche Verstocktheit seines Pferdes und schwor, sich zu rächen. Er zog es aus dem Stall, band das arme Tier an einen Pfahl, nahm einen großen Stock und verprügelte es eine Viertelstunde lang mit aller Kraft. Als er nicht mehr konnte, führte er es in den Stall zurück, steckte den Kopf des Pferdes in die Krippe; da fraß es auf einmal mit unersättlichem Hunger, und der Iswoschtschik lachte, tanzte und gebärdete sich ganz ausgelassen. Ich war höchst erstaunt. Das konnte wohl nur in Rußland geschehen, wo der Stock alles vermag, sogar Wunder zu wirken. Doch glaube ich immer noch, daß das bei einem Esel nicht möglich gewesen wäre, der Stockschlägen viel beharrlicher widersteht als ein Pferd. (...).
Wir kamen pünktlich in Moskau an, wie es unser Mann versprochen hatte. Wir hätten, stets mit den gleichen Pferden, unmöglich schneller dort sein können; doch mit der Post reist man rascher.
Zurück in St. Petersburg. Manöver in Krasnoje Selo:
(149) Wir kamen um acht Uhr morgens hin, und an diesem ersten Tag fanden Aufmärsche [zur Infanterieparade] statt, die bis Mittag dauerten; dann fuhren wir vor einem Wirtshaus vor und ließen uns das Essen in den Wagen bringen, denn das Haus war so voll, daß wir keinen Platz gefunden hätten. Nach dem Essen ging mein Kutscher überall herum, um eine Unterkunft zu suchen, fand jedoch keine. Ich ließ mich nicht beirren und entschloß mich, da ich nicht nach Petersburg zurückkehren wollte, in meinem Wagen zu wohnen. Das tat ich die ganzen drei Tage, und alle, die für sehr schlechte Unterkünfte sehr viel bezahlt hatten, fanden das ausgezeichnet. Melissino sagte mir, die Zarin habe meinen Ausweg sehr vernünftig gefunden. Auf diese Weise hatte ich ein fahrbares Haus ["maison ambulante"] und stellte mich überall dort auf, wo ich sicher und bequem die Aufmärsche an diesem Tag sehen konnte. Außerdem war mein Wagen eigens dafür gebaut, um sich mit einer Geliebten wohl zu fühlen, denn er enthielt ein Bett. Ich war der einzige, der bei dieser Parade einen solchen Wagen hatte; man machte mir Besuche, und Zaira als die Dame des Hauses glänzte in russischer Sprache, die ich zu meinem Leidwesen nicht verstand.
Rückreise nach Königsberg, und von dort nach Warschau:
(10/VII/171f.) Nach dieser traurigen Trennung [von Zaira] wurde die Valville meine einzige Freundin, und nach drei oder vier Wochen waren wir zur Abreise bereit. (...).
Da ich in meinen Schlafwagen eine gute Matratze und Decken gelegt hatte, schlief ich darin mit der Valville, die diese Art des Reisens ebenso angenehm wie unterhaltsam fand, denn eigentlich lagen wir im Bett.
Am nächsten Tag hielten wir in Caporja, um Mittag zu essen, da wir im Wagen genügend Vorräte und gute Weine mitgenommen hatten. (...).
In Königsberg verkaufte ich meinen Schlafwagen, und da ich allein geblieben war, mietete ich einen Platz in einem viersitzigen Wagen, der nach Warschau fuhr. Meine drei Gefährten waren Polen, die nur deutsch sprachen; so langweilte ich mich sehr die ganzen sechs Tage, die ich für diese unangenehme Reise benötigte. Ich stieg bei Villiers ab, wo ich sicher war, meinen alten Freund Campioni zu treffen.


C 12   Das Coupé "Warschau"
 Nannte Casanova: voiture à quatre roues et à deux personnes.
Französisches Berlinen-Coupé im englischen Stil für das Fahren in der Stadt, mit Polignac-Federn (vgl. nächstes Bild), um 1775. - Musée de la Voiture et du Tourisme, Compiègne. Foto: PG.
---------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------
Hersteller: N.N.
Typ: (Englisches ?) Coupé.
Vorbesitzer: Graf August Nalecz von Mosna-Moczynski, Warschau.
Kaufpreis: ein Geschenk.
Strecke: 2.835 km. Warschau - Breslau - Dresden - Leipzig - Dresden - Prag - Wien - München - Ludwigsburg - Schwetzingen - (Schiff: Mainz - Köln) - Köln - Aachen - Spa - Luxenburg - Metz - Paris.
Zeit: Juli 1766 bis September 1767.
Nachbesitzer: N.N., in Paris.
Verkaufspreis: Tausch gegen die Chaise de Poste "Paris 3".
Abreise von Warschau:
(10/VIII/221ff.) Der großmütige Mosczynski umarmte mich und bat, ich möge von ihm einen Wagen als kleines Geschenk annehmen, da ich keinen besäße; auch bat er mich, ihm zu schreiben. (...).
Am nächsten Morgen bezahlte ich meine Schulden, die sich auf zweihundert Dukaten [24.000 d.] beliefen, und machte mich bereit, am darauffolgenden Tag mit Graf Clary nach Breslau zu fahren, er in seinem Wagen und ich in dem meinen, den mir Graf Mosczynski sogleich geschickt hatte. (...).
Wir fuhren Tag und Nacht und gelangten nach Breslau, ohne daß uns das geringste zustieß.
Abreise von Breslau:
(226)     Früh am nächsten Morgen war alles bereit, die Pferde waren angespannt, ich fuhr ab, aber hundert Schritt vom Gasthof entfernt hielt mein Postillon an. Das rechte Fenster war heruntergelassen; ein Bündel wurde hereingegeben, ich blickte auf und sah die junge Schöne, an die ich wirklich nicht mehr gedacht hatte. Mein Diener öffnete ihr den Schlag, sie setzte sich neben mich, und ich fand die Sache wunderbar eingefädelt. Ich zollte ihr Beifall und schwor, ich hätte nicht von ihr so viel Verstand erwartet; dann fuhren wir weiter.
Diese Zeichnung zeigt ein Coupé, das technisch und stilistisch dem auf der vorherigen Seite abgebildeten genau entspricht. "Profil géométral d'une Diligence à la polignac déssinné par Taazin fils en 1774" (in Paris?). - Musée de la Voiture et du Tourisme, Compiègne. Foto: PG.


C 13   Die Chaise de Poste "Paris 3"
 Nannte Casanova: chaise de poste.
Englische zweirädrige Post-Chaisen unterschieden sich von französischen in Kastenform und Federung. - Aus: Ivan Sparkes, Stagecoaches and Carriages, Letchworth 1975. Foto: Rudolf H. Wackernagel.
---------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------
Hersteller: N.N.
Typ: Französische Chaise de Poste.
Vorbesitzer: N.N., in Paris.
Kaufpreis: Tausch gegen das Coupé "Warschau".
Strecke: 755 km. Paris - Etampes - Orléans - Amboise - Tours - Poitiers - Angoulème - Bordeaux - Castets - St. Jean-de-Luz.
Zeit: November 1767.
Nachbesitzer: N.N., in St.Jean-de-Luz.
Abreise von Paris mit Ziel Madrid.
(10/XII/321f.) Das war am sechsten November. Ich fuhr erst am zwanzigsten ab. Meinen vierrädrigen Wagen [Coupé "Warschau"] hatte ich gegen einen zweirädrigen für eine Person eingetauscht. (...).
Mein Paß, den ich vom Herzog von Choiseul [1767 General - Superintendent der Post] zur Anforderung von Postpferden erhielt, ist vom neunzehnten und ich besitze ihn noch. Ich fuhr am zwanzigsten ab, ganz allein, ohne Diener, betrübt über den Tod Charlottes, doch ruhig, mit hundert Louis in meiner Börse und einem Kreditbrief über achttausend Francs [zusammen 104.000 d.] auf Bordeaux. (...).
Ich begann zu schlafen und wurde ungeduldig, daß man mich jeden Augenblick weckte, um von mir die Bezahlung der Postpferde zu fordern.
(326) Dann reiste ich weiter und fuhr durch die Landes nach St. Jean-de-Luz [Casanova schrieb versehentlich "St-Jean d'Angeli"], wo ich meine Chaise de Poste verkaufte. Nach Pamplona gelangte ich, über die Pyrenäen auf einem Maultier reitend, in Gesellschaft eines zweiten, das meine Koffer trug. Dieses Gebirge erschien mir viel mächtiger als die Alpen.


C 14   Das Coupé "Salerno"
 Nannte Casanova: coupé.
"Diligence monté à l'Angloise". Zeichnung von Chopard, Ménuisier, Paris, um 1770. - Musée de la Voiture et du Tourisme, Compiègne. Foto: PG.
-------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------
Hersteller: N.N.
Typ: (Englisches ?) Coupé.
Vorbesitzer: N.N.
Preis: unbekannt.
Strecke: 860 km. Salerno - Neapel - Monte Cassino - Rom - Florenz - Lucca - Florenz - Bologna.
Zeit: September 1770 bis Oktober 1772.
1. Nachbesitzer: Vizelegat Ignazio Lodovico, Prinz Buoncompagni-Ludovisi in Bologna.
Verkaufspreis: 300 röm. Scudi (18.000 d.).
2. Nachbesitzer: Margherita Giacinta Irene Gibetti, genannt "La Viscioletta", in Bologna. Geschenk des Vizelegaten.
In Bologna:
(12/VI/146f.)     Zwei oder drei Tage später ließ ich Postpferde vor meinen Wagen spannen und fuhr zum Landhaus dieses Herrn. (...).
(...) ging hinaus und die Treppe hinunter und kam gerade noch zurecht, bevor der Postillon völlig ausgespannt hatte. Ich versprach ihm ein doppeltes Trinkgeld und sagte ihm mit heiterer Miene, er solle mich in irgendein Dorf fahren, wo ich, während seine Pferde ihren Hafer fraßen, auch eine Kleinigkeit essen könnte. Mit diesen Worten setzte ich mich in meinen Wagen, ein sehr hübsches und recht bequemes Coupé.
Weiterhin in Bologna. Verkauf seines letzten Coupés.
(12/VI/164ff.)     In diesen Tagen stellte ich mein Coupé zum Verkauf. Ich brauchte Geld und wollte lieber meinen Wagen verkaufen als irgendein anderes Stück, das mir wertvoller war. Ich setzte den Preis auf dreihundertfünfzig römische Scudi fest. Der Wagen war schön und bequem und den Betrag wert. Der Besitzer des Schuppens, in dem er stand, kam mit der Nachricht zu mir, der Vizelegat [Prinz Buoncompagni-Ludovisi] biete mir dreihundert Scudi; es war mir eine richtige Freude, das Angebot des Prälaten abzulehnen, der den Gegenstand meines vergeblichen Verlangens [die Tänzerin La Viscioletta] im Besitz hatte. Ich antwortete, ich wolle nicht handeln und hätte den Preis bereits festgesetzt.
Als ich mittags in den Schuppen ging, um mich vom guten Zustand des Wagens zu überzeugen, traf ich dort den Monsignore, der mich beim Kardinal kennengelernt hatte und wissen mußte, daß ich seine Schöne besuchte. Er sagte mir in unverschämtem Ton, mein Wagen sei nicht mehr als dreihundert Scudi wert, das wisse er besser als ich; ich müsse die Gelegenheit ergreifen, ihn loszuwerden, da er für mich zu schön sei.
Diese eigenartige Ausdrucksweise erlegte mir Stillschweigen auf, da ich befürchtete, daß eine allzu energische Erwiderung ihn reizen könnte. Ich ließ ihn mit den Worten stehen, ich würde nicht einen Soldo nachlassen.
Am nächsten Tag schrieb mir die Viscioletta, ich würde ihr einen wirklichen Gefallen erweisen, wenn ich dem Vizelegaten meinen Wagen zu dem angebotenen Preis verkaufen würde, da sie sicher sei, daß er ihn ihr schenken werde. Ich antwortete ihr, ich käme nachmittags zu ihr, um mit ihr zu sprechen; es werde von ihr abhängen, mich zur Erfüllung ihres Wunsches zu überreden. Ich ging hin, und nach einem kurzen,
doch energischen Gespräch zeigte sie sich willig. Ich stellte ihr ein Schreiben aus, mit dem ich ihr meinen Wagen für die Summe von dreihundert römischen Scudi abtrat. Tags darauf hatte sie den Wagen und ich das Geld, dazu noch das Vergnügen, dem Prälaten berechtigten Grund zur Annahme gegeben zu haben, daß ich mich für seinen dummen Stolz zu rächen gewußt hatte.



II. Seine Wagen in Paris.
Straßenverkehr in Paris um 1750 war genauso lebhaft wie in London. Tödliche Unfälle geschahen fast jeden Tag. Enormer Lärm und riesige Mengen von Pferdemist belasteten die Umwelt. Und mitten drin - ein "schnell fahrender" Casanova... - Aus: A. S. Turberville, Johnson's England. Oxford 1933. Foto: PG.
 ---------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------
Durch die Beteiligung am Lotto der École Militaire wurde Casanova ein reicher Mann und es schien, als wollte er sich gegen Ende des Jahres 1758 in Paris dauerhaft niederlassen. Er zog auf das Land, wo er natürlich einen schnellen Wagen brauchte, um rasch in die Stadt zu kommen. Er berichtet:
(GmL/Bd.5/Kapitel.VIII/S.208ff.)     Ich war entschlossen, mir ein Landhaus zu mieten, und nachdem ich mir mehrere angesehen hatte, entschied ich mich für ein Haus in "Petite Pologne". Es war gut möbliert und lag hundert Schritt außerhalb der "Barrière de la Madeleine" [städt. Zollschranke]. Das Haus stand auf einer kleinen Anhöhe bei der [Schenke zur] "Königlichen Jagd" hinter dem Garten des Herzogs von Gramont. Der Eigentümer hatte dem Haus den Namen "Varsovie-en-bel-air" gegeben. Es hatte zwei Gärten, von denen einer in der Höhe des ersten Stockes lag, drei Herrschaftswohnungen, einen Stall für zwanzig Pferde, Bäder, einen guten Keller und eine große Küche mit den nötigen Gerätschaften. (...). [Der Eigentümer] vermietete mir sein Haus für hundert Louis im Jahr [umgerechnet pro Monat: 2.000 d.] und verschaffte mir eine hervorragende Köchin, die sich "die Perle" nannte. (...). Er versprach mir auch billigeres Futter für meine Pferde, überhaupt alles, was bei der Einfuhr nach Paris zollpflichtig war; denn hier draußen war ich ja schon auf dem Lande.
In weniger als acht Tagen verschaffte ich mir einen guten Kutscher, zwei Wagen, fünf Pferde, einen Stallburschen und zwei gute Lakaien mit kleiner Livree.
Bald darauf, nach dem Besuch eines Opernballs:
(211f.) (...) dann fuhr ich zurück nach Petite Pologne. Ich brauchte nur eine Viertelstunde dazu. Ich wohnte auf dem Lande, aber in einer Viertelstunde erreichte ich jeden gewünschten Ort in der Stadt. Mein Kutscher fuhr wie der Wind, meine Pferde waren von jener Art, die man als enragés bezeichnet, eigens dazu aufgezogen, nicht geschont zu werden. Solche Pferde, ein Überschuß aus den Ställen des Königs, waren ein Luxus. Wenn mir eines davon einging, kaufte ich mir für zweihundert Francs [2.000 d.] ein neues. Schnellfahren ist eines der größten Vergnügen, die es in Paris gibt.
Diesen Luxus freilich konnte Casanova sozusagen aus der Portokasse seines bald gegründeten Betriebes für die Bemalung von Seidenstoffen à la chinoise (20 hübsche Mitarbeiterinnen) bezahlen. Als er einer jungen Geschäftsfrau seine Aufwartungen machte, raste er auf's Neue durch Paris:
(284) Verliebt in sie (...) fuhr ich drei- oder viermal jeden Tag an ihrem Geschäft vorüber; ich ließ den Kutscher reden, der mir wiederholt sagte, die langen Umwege würden die Pferde zu Tode schinden. Ich verzehrte mich nach ihren Kußhänden und der Aufmerksamkeit, mit der sie meinen Wagen schon von weitem erspähte.
"Diable". - Encyclopédie, Paris 1769. Foto: PG.
----------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------
Einer der beiden Stadtwagen von Casanova könnte speziell zum Schnellfahren geeignet gewesen sein, etwa wie der sowohl in der Encyclopédie als auch bei Roubo abgebildete "Diable". Casanova erwähnt ihn bereits anläßlich seines ersten Parisaufenthalts 1750/52:
(3/X/183) [Der Fürst von Monaco und ich] stiegen in einen neumodischen Wagen, den man Diable nannte, und um elf Uhr vormittags waren wir bei der Herzogin.
Laut Roubo diente der leichte, nur vier Meter lange Diable zum Einfahren junger Pferde für Selbstfahrer, weshalb er keinen Kutscherbock hatte. Den Wagen könnte man auch Berlinen-Kalesche nennen, nach dem Fahrgestell und der Form des Wagenkastens.
.
Der andere Wagen könnte ein typisch französisches Berlinen-Coupé, die "Diligence", gewesen sein. Es war ebenfalls ein eher leichtes Fahrzeug, und mit Kutscherbock.
"Diligence à Cul de Singe". Bemerkenswertes Detail: Der von Casanova so häufig erwähnte und in seinen Englischen Coupés ebenfalls vorhandene Klappsitz. - Encyclopédie, Paris 1769. Foto: PG.

Fortsetzung: Casanovas Reisewagen 15. - 17.  (Teil VIII).

Copyright by Pablo Günther, Hergensweiler 2012.

hoch 





Impressum